Einleitung

 

Nach kurzem Abschnitt über die Planung der Reise folgt der Bericht über die 38 Touren-Tage. Es ist keine Dokumentation sondern eher eine Story, denn ich versuchte die spannenden Dinge hervorzuheben und das Uninteressante wegzulassen.

 

Planung

 

Diese Tour würde es ohne das Coronavirus nicht geben:

 

Schon seit langem (Sommer 2019) hatte ich eine andere Tour geplant, nämlich im Winter 20/21 von Casablanca aus, die Sahara zu durchqueren. Bis Ende Oktober 2020 hielt ich an diesen Plänen fest. Flüge waren gebucht, die Ausrüstung für das Vorhaben war bereit und die mit viel Mühe selbst gebastelte Karte der Route hing an meiner Zimmerwand. Doch dann Ende Oktober musste ich resigniert feststellen, dass ich mein Vorhaben vergessen konnte. Für alle 7 Länder, die ich bereisen wollte, gab es Einreisesperren für Touristen. Ich hatte mich so lange auf dieses Vorhaben gefreut, und es war sehr schmerzhaft einsehen zu müssen, dass ich diese Tour nicht durchführen konnte.

Nichts zu tun in meinen Weihnachtsferien kam natürlich nicht in Frage, also musste eine Alternative gefunden werden. Dies war gar nicht so einfach! Ich verbrachte Anfang November Stunden auf der Homepage derdeutschen Seite „das Auswärtige Amt“ und studierte Einreisebestimmungen von beinahe 100 Ländern. Nach diesen umfangreichen Recherchen ergaben sich genau 3 mögliche Reise-Optionen: Die erste Möglichkeit war eine Tour in Brasilien, weil es dort keinerlei Einreisehürden gab, weder ein Visum noch einen negativen Corona-Test. Als zweites mögliches Reiseland ergab sich Mexiko. Auch hier wäre eine Einreise ohne Probleme möglich gewesen. Zudem gab es sogar Direktflüge von Zürich aus mit Edelweiss. Diese beiden Pläne rissen mich jedoch noch nicht vom Hocker. Es verblieb noch eine letzte theoretisch mögliche Reiseoption, welche aber wesentlich komplizierter schien. Eine Tour von Kenia über Tansania und Sambia nach Namibia.

 

Die Einreise in diese Länder (ausser Tansania) setzte einen negativen Corona-Test voraus und für 3 der 4 Länder war zusätzlich ein Visum nötig. Ich hatte mir noch nie ein Visum beschafft, ausserdem konnte es zusätzliche Schwierigkeiten geben, da ich per Velo unterwegs war und die Corona-Tests müssten zeitnah zum Grenzübertritt gemacht werden können. Trotz aller Hürden erschien mir diese Touren-Option die Spektakulärste zu sein und so begann 5 Wochen vor dem Start eineintensive Planungsphase: Ich buchte Flugtickets, kontaktierte Botschaften, beantragte die nötigen Visa, machte diverse Impfungen im Tropeninstitut, richtete und komplettierte meine Ausrüstung und erstellte eine detaillierte Karte meiner Route.

 

Den ganzen Planungsprozess konnte ich nicht wirklich geniessen, denn die Lage war unsicher, und es konnte von einem Tag auf den anderen Änderungen bei den Einreisebestimmungen geben. So konnte ich nur hoffen, dass meine ganzen Pläne nicht noch einmal über den Haufen geworfen wurden. Das Schicksal war diesmal jedoch auf meiner Seite, ich erhielt 2/3 der nötigen Visa (Kenia schaffte es irgendwie nicht mein E-Visum Antrag zu bearbeiten), und die Einreisebestimmungen erfuhren in dieser Zeit keine Änderung. Bis kurz vor der Abreise gab es aber trotzdem diverse Unsicherheiten. Allen voran, ob die Einreise nach Namibia von Sambia aus möglich wäre. Die Auskünfte dazu waren widersprüchlich. Während die die namibische Botschaft in Berlin am Telefon meinte, dass ein Grenzübertritt nicht möglich sei, gab mir die namibische Botschaft in Genf per email eine gegenteilige Auskunft, nämlich dass die Grenze passiert werden könne. So gestaltete sich die Planung wirklich mühsam und nervenaufreibend!

 

Tag 1


Doch dann am 19. Dezember 2020 kam endlich der lang ersehnte Starttag und es konnte losgehen!Das Velo, welches in einem Karton verpackt war, befestigte ich mit einer Spanngurte auf dem Autodach. Im Kofferraum lagen meine 3 Gepäckstücke, welche zusammen bestimmt mehr als 20kg wogen. Um 13:00 machte sich meine ganze Familie auf den Weg zum Flughafen.

Nach rund 30-minütigem Warten vor dem Schalter von British Airways waren wir dann an der Reihe. Der Angestellte mir gegenüber hörte nicht mehr auf, Dokumente zu verlangen. Dank meiner guten Vorbereitung konnte ich aber alle geforderten Papiere vorweisen. Doch dann schien es ein Problem zu geben. Der junge Herr auf der anderen Seite des Tresen studierte lange mein Corona-Test-Zertifikat und meinte dann, dass ich dieses Dokument in englischer Sprache bräuchte. Dies war mir durchaus bewusst und so entgegnete ich, dass ich dies beim Labor per Telefon am heutigen Morgen bestellt hätte und ich es bald per Mail erhielte. Dieses Dokument würde ich ja dann erst bei der Einreise nach Kenia brauchen, welche erst in weit entfernten 30 Stunden sein würde. Doch was der junge Herr dann sagte, versetzte mich sofort in einen Stresszustand, denn er meinte, ohne den Englischen Corona-Nachweis, sei es mir nicht erlaubt, an Bord des Flugzeuges zu gehen. Dieses Problem hatte ich in der Türkei schon einmal gehabt, wo mir deswegen der Zutritt zum Flieger verweigert worden war. Diese Mal wäre es nun aber wirklich katastrophal gewesen! Sofort versuchten meine Mom, mein Vater und ich über verschiede Nummern das Labor zu erreichen. Ich hatte es mir ja denken können, dass an einem Samstagnachmittag niemand abnehmen würde! Doch als ich schon die Hoffnung aufgeben wollte, meldete sich jemand am Handy meiner Mutter. Verzweifelt schilderte ich mein Problem. Glücklicherweise wirkte der Mann am Apparat kompetent und er vermittelte mir, dass er mir das Dokument, welches normalerweise zuerst an das Spital der Testung geschickt wird, ausnahmsweise direkt zustellen würde. Ich befand mich immer noch am Schalter und schob sobald das PDF Dokument eingetroffen war sofort das Handy über den Tresen, ohne selber einen Blick auf das neue Zertifikat zu werfen. Was dann kam, war einfach nur noch ärgerlich. Man hatte es wirklich fertig gebracht, mir noch einmal das deutsche Formular zu schicken! Wir wurden nun vom Schalter weggewiesen, da noch andere Leute warteten, und ich wurde darauf hingewiesen, dass ich das richtige Formular dann am Gate haben müsse. Mein Gepäck durfte ich ausnahmsweise schon einchecken, da es wegen meines Velos (Sondergepäck) sonst knapp werden würde. Wenig später hatte ich den vielleicht doch nicht so kompetenten Herrn wieder am Telefon. Er sagte geduldig, dass ich beim unteren Absatz genauer hinsehen solle. Und tatsächlich, alles war identisch zum deutschen Dokument nur ein kleiner Satz war auf Englisch hinzu gefügt worden: „The SARS-CoV-2 PCR result is negative. SARS-COV-2 could not be detected“. Entweder hatte dies der Typ am Schalter übersehen oder dieser einzige englische Satz genügte nicht. Ich konnte nur hoffen, dass erst Genanntes zutraf.

 

Nach der Abgabe meines Velos kam dann schon die Verabschiedung. Ich war noch nie so lange von zu Hause weg gewesen, aber trotzdem verlief der Abschied kurz und schmerzlos - zumindest von meiner Seite. - Als ich später beim Boarding an der Reihe war, betete ich innerlich, dass es doch bitte klappen müsse. Und tatsächlich dieser eine Satz auf dem Dokument war ausschlaggebend und mir wurde der Zutritt zum Flugzeug gewährt. Eine Welle von Glück überflutete mich. Dem Start in mein gewaltiges Abenteuer stand nichts mehr im Wege! Ich wunderte mich beim Einstieg in das Flugzeug, dass wir mit einer Boeing 787 fliegen, bei welchem 8 Sitze in einer Reihe Platz finden. Ich hatte geglaubt, dass solche Flugzeuge nur bei Langstreckenflüge eingesetzt würden. Wie auch immer, - nach Abschluss des Boardings hatte ich Glück und durfte mich an einen der wenigen noch freien Fensterplätze setzen. Ich genoss einen wahnsinnig angenehmen Flug mit Blick auf das Nebelmeer und die untergehende Sonne.


Um ca. 16:00 landeten wir dann in London. Wenig später sass ich nach problemloser Einreise schon in einer U-Bahn, welche mich in die Nähe meines spontan gebuchten Hotels bringen sollte. Nach einem 500 Meter langen Fussmarsch konnte ich dann erfolgreich einchecken. Um 19:00 sass ich dann gemütlich mit Burger und Pommes in meinem gediegenen Zimmer und liess den Tag noch mit dem Film „The Terminal“ ausklingen.

 

Tag 2

 

Ich schlief schlecht, denn die Aufregung und Vorfreude auf den kommenden Tag waren riesig. Um 7:15 verliess ich dann mein Hotel und machte mich wieder auf den 6Km langen Weg zurück zum Flughafen. Alles lief nach Plan und auch das Boarding verlief reibungslos. Bevor ich die Boeing 777 bestieg machte ich noch ein Foto.

 

 

Es war erst mein dritter Langstreckenflug und zudem war ich noch nie in solch einem grossen Flugzeug geflogen. Ich war überwältigt als ich die 10 Sitze in einer Reihe bemerkte. Ich hatte gedacht, dass ich fast alleine fliegen würde, doch ich hatte mich mächtig geirrt. Der hintere Teil des Flugzeuges mit seinen 15 Reihen war sicher zu 90% ausgelastet. Ich sass in der mittleren Reihe neben dem Gang. Glücklicherweise blieben wenigstens die beiden Sitze rechts von mir frei. Mit 40 Minuten Verspätung hoben wir dann um 10:45 ab. 8 Stunden Flugzeit hatten ich vor mir. Es gab Getränke im Überfluss. Total konsumierte ich über 7 verschiedene Getränke. Auch alkoholische Getränke wurden ohne Aufpreis abgegeben. Dies musste ich natürlich ausnutzen und so gönnte ich mir zwei kleine Fläschchen Wein zur Feier des grossen Tages. Als dann das Essen kam, zeigte sich mal wieder, wie absurd und übertrieben manche Corona-Regeln sind. Als das Essen verteilt wurde zogen also alle ihre Maske ab und assen ihre Speise als wäre nichts. 135 Leute auf dichtestem Raum am Essen das geht, aber im Königreich und auch in der Schweiz herrschte momentan einen Lockdown, bei welchem Veranstaltungen trotz Maske verboten waren und auch Restaurants trotz Zweier- Haushaltsregel und Abstand geschlossen bleiben mussten - nicht wirklich konsequent. Hinzu kam noch, dass am Vorabend von London gemeldet wurde, dass ein mutiertes noch ansteckenderes Virus in der Gegend im Umlauf sei. Mir war das alles eigentlich ziemlich egal, solange es keine Auswirkungen auf meine Reisepläne hatte.

 

Die Zeit im Flugzeug verging dank Film, Essen & Trinken, Schreiben und Musik schnell. Und bald schon hiess es von den Lautsprechern „Landing in ten minutes“. Nach knapp 8 Stunden traf ich nun also am Startort meiner Tour in Nairobi ein, Ortszeit 21:45 (plus 2h von Zürich) und bei angenehmen 24 Grad. Es war ein gutes Gefühl endlich aus dem Flieger zu steigen und die warme und leicht feuchte Luft einzuatmen. Mit einem Bus ging es dann weiter zum Flughafengebäude. Dort konnte ich dann nach langem Warten mein Corona-Zertifikat vorweisen. Die Dame schaute zwar kritisch drein, da mein Dokument deutlich unprofessioneller aussah, als dies meiner britischen Fluggenossen, aber als ich sagte, es sei halt von der Schweiz, winkte sie mich dann nach Fiebermessung und Scannung meines Gesundheitsdokuments durch. Jetzt musste nur noch die Sache mit dem Visum klappen und ich wäre drin. Dies verlief viel unkomplizierter und schneller als gedacht. Ich hatte zwar online schon ein Visum beantragt, doch es war dann wegen fehlender Dokumente noch nicht genehmigt worden. Ich zeigte dem Einreise-Beamten also kurz die Quittung dieser Bezahlung vor und nach einem kurzen Blick seinerseits auf meinen Visa-Approval Letter von Tansania, hatte ich schon den Stempel im Pass. Nun kam die Sache mit dem Gepäck. Ich hoffte einfach, dass Velo und Tasche den Weg unbeschadet nach Nairobi geschafft hatten. Das Velo sah ich schon von Weitem und auch die Tasche erblickte ich schnell. Das Velo schien in Ordnung zu sein, doch bei der Tasche war einer der beiden Halterungen abgebrochen. Dies trübte aber meine Stimmung nur wenig, da die Erleichterung immer noch gross war, dass mit der Einreise alles geklappt hatte. Auch die Sorge bezüglich Zoll stellte sich als unbegründet heraus, denn ich wurde nur gefragt, was in dem Karton sei und wurde dann mit freundlichem Lächeln durch gewinkt.

 

Jetzt stand nur noch der Transfer zum Hotel an. Als ich aus dem Flughafengebäude kam, sah ich unter den vielen Abholern schnell jemand mit einem violetten Schild auf dem «Crowne Plaza» darauf stand. Bald sass ich also in einem kleinen Bus auf dem Beifahrersitz. Die riesige Kartonschachtel hatte knapp hinten auf den Rücksitzen Platz gefunden. Um 23:00 kamen wir dann im Hotel an. Dieses 5-Sterne Hotel ist eines der besten, aber auch teuersten in ganz Kenia. Stolze 150 US-Dollar sollte die Nacht kosten. Dies nahm ich aber gerne in Kauf, um mich bei besten Bedingungen auf den Start am nächsten Tage vorbereiten zu können. Nach einem kurzen Schwatz mit dem Typen, welcher mir die Riesenschachtel vom Shuttle ins Zimmer gebracht hatte, fingen dann die Arbeiten an.

 

Ich musste mein Gepäck, welches für den Flug optimiert war nun umpacken. Zudem musste ich mein Velo wieder zusammen bauen. Das Ganze zog sich in die Länge, da ich es perfekt haben wollte. So war ich mit den Arbeiten erst nach 3:00 morgens fertig.

 

Tag 3

 

Nach kurzem aber wenigstens tiefem Schlaf stand ich um 6:00 auf. Hoch motiviert packte ich noch die letzten Sachen und war um 6:35 bereit für den Start. Doch als ich gerade mein Zimmer verlassen wollte, riss natürlich die mit viel Mühe angeklebte und angeleimte Halterung meiner Tasche wieder ab. So konnte ich natürlich nicht losfahren und bis ich dann mit dem zum Glück mitgenommenen Spanset die Tasche notdürftig fixiert hatte, war es schon nach 7:00. Dann war es endlich soweit. Die eigentliche Reise konnte losgehen! Dies musste ich natürlich festhalten und so bat ich den Sicherheitstypen vor dem Hotel-Tor ein Foto von mir zu machen.

 

Auf den ersten Metern hatte ich ein komisches Gefühl. Normalerweise starte ich nur von schon angesteuerten Zielen und kann mich dadurch langsam an die Kultur und die Umwelt gewöhnen, aber jetzt war ich vom einen Tag auf den anderen mitten drin – alles total fremd und unvertraut.Und das mit dem «Mittendrin» war dann einige Minuten später wirklich heftig, da es durch eine Vorstadt von Nairobi ging. Es war das reinste Chaos.


 

Ich wusste gar nicht wohin schauen. Kühe, Menschen, Farben, Hühner, Abfall, Motorräder, Kinder, Autos und ich als Weisser mit meinem roten Velo und gelber, blitzblanker Weste mitten drin. Ich erweckte auch dementsprechend viel Aufmerksamkeit. Ich war aber ganz mit dem Verkehr beschäftigt, welcher zu allem Übel auch noch linksseitig fuhr und so nahm ich die vielen verwunderten Blicke in meine Richtung nur am Rande wahr. Ich war dann froh, als es endlich ländlicher wurde und das Chaos und der Lärm langsam ein Ende nahmen.

 

Es war so spannend alles zu entdecken! Die kleinen selbst zusammengezimmerten Shops am Strassenrand, die Autos und Motorräder mit ihren teils spektakulären Ladungen und die mir noch unbekannten Pflanzen. Neben dem Kulturschock war es auch für den Körper eine Umstellung plötzlich auf über 1‘500 m.ü.M. bei knapp 30 Grad am Schatten Velo zu fahren. Doch dank dem Rückenwind und der schönen Landschaft fand ich je länger je mehr Gefallen an der Sache. Bald hielt ich an und kochte mir das erste Mal etwas mit dem Benzin, welches ich am frühen morgen bei einer Tankstelle in Nairobi geholt hatte. Dort bemerkte ich schnell, dass ich etwas relativ Wichtiges vergessen hatte und zwar meinen Löffel! Eine Gabel hatte ich sowieso keine mitgenommen, und so war ich ein wenig aufgeschmissen ohne Besteck. Doch nach einigen Überlegungen fand man dann einen einigermassen brauchbaren Ersatz.

 

Nach der Stärkung fuhr ich weiter in Richtung Namanga, dem Grenzort zu Tansania. Alles lief top. Mein Vorankommen war dank dem immer noch herrschenden Rückenwind gut. Die Fahrt wurde zudem durch ab und zu strahlender und winkender Kinder begleitet. Auch viele Erwachsene hoben zum Gruss die Hand oder streckten Daumen nach oben. Doch dann um 16:00 merkte ich von einem Moment auf den anderen, dass mein Hinterrad ganz unschöne Geräusche von sich gab. Das musste die kaputte Tasche sein, die verrutscht war, dachte ich. Doch als ich gesehen hatte, was wirklich das Problem war, wünschte ich mir, dass es nur die Tasche gewesen wäre, denn es war doch tatsächlich eine Speiche rausgefallen. Wie konnte das nur passieren! Dies war mir auf all meinen Touren noch nie passiert und genau jetzt in Afrika auf meiner allerersten Etappe geschah so etwas. So ein Pech! Schnell kamen auch 3 neugierige Kinder im Alter von 17 und je 15 Jahren. Der 17-Jährige schien ein wenig draus zu kommen und versuchte als erstes die Speiche ganz zu entfernen, leider vergeblich. Danach wickelte er sie um eine Nachbarspeiche, damit das Rad wenigstens wieder ungestört drehen konnte. Er meinte aber, dass ich diese möglichst schnell ersetzen sollte. So spulte ich also noch die 15 verbleibenden Kilometer zum Grenzort Namanga ab. Dort wollte ich dann den Schaden beheben lassen. Doch dies war leichter gedacht als gemacht, denn als ich dort eintraf, hatte es nicht einfach ein kompetentes Velogeschäft am Strassenrand. Nur irgendwelche windschiefen Hütten und Chaos gab es dort. Doch nach mehrmaligem Fragen fand ich Leute, die sich meinem Problem annehmen wollten. Ich musste gar nicht viel machen und schon waren 5 Leute vor Ort und kümmerten sich um meinen roten Schatz.

 

Meine Nerven hatten schon nicht so Freunde und die Aufmerksamkeit der vielen Leute rund um mich war auch ein wenig unangenehm, aber ich musste da durch. Die Männer entfernten das Hinterrad und konnten dank Herauslassen der Luft die kaputte Speiche schliesslich entfernen. Kurz darauf stürzten sich 2 der dunklen Männer mit einem Motorrad und meiner kaputten Speiche ins Verkehrschaos des Grenzstädtchens, mit dem Ziel eine neue Speiche zu besorgen. Ich erzählte währenddessen einem ähnlich alten jungen Herrn von meinem Reisevorhaben. Wenig später waren die beiden Typen zurück von ihrer Mission, doch Sie war erfolglos geblieben, wie sich herausstellte. Doch Sie blieben zuversichtlich, dass Sie mein Problem lösen konnten. Sie meinten Sie müssten mein Rad mitnehmen um es dort direkt flicken zu können. Ich konnte gar nicht viel sagen, da war mein teures High-tech-Rad schon auf dem Motorrad weggebracht worden. Ich wartete mindestens eine halbe Stunde. Dabei bekam ich für 2 Dollar noch eine Portion Pommes Frites und führte weitere Gespräche mit den Leuten vor Ort. Die Sonne stand schon sehr tief, als ich endlich wieder das Motorrad mit meinem Rad darauf sichtete. Und tatsächlich die fehlende Speiche war erfolgreich durch eine silbrige neue Speiche ersetzt worden. Doch als man von mir 30 US-Dollar verlangte, war dann meine Freude schon ein wenig getrübt. Die geforderte Vergütung schien viel zu hoch zu sein, aber was sollte ich machen. Der Schaden war behoben worden. Ich konnte die Kosten dann wenigstens noch auf 25 US Dollar hinunter drücken, bevor ich mein Velo wieder fahrtüchtig machte. Ich war froh als ich endlich weg war von dort. Es waren zwar alle wirklich freundlich, aber irgendwie war es mir schon ein wenig unwohl. Der eigentliche Plan war es gewesen, in diesem Ort zu übernachten, denn mein Visum in Tansania war erst ab dem Folgetag gültig. Doch irgendwie wollte ich nach dieser langen Pause einfach nur noch in die Pedale treten und dieses Städtchen hinter mir lassen. Zudem waren auch die Temperaturen nun deutlich angenehmer geworden. So entschied ich spontan es trotz noch nicht gültigem Visum zu probieren. Kurz nach Sonnenuntergang war ich dann definitiv an der Grenze.

 

In einem Gebäude liefen dann die Aus- und Einreise-Formalitäten ab. Maske oder dergleichen, kein Thema. Zudem empfand ich die Umgangsform der Grenzbeamten sehr angenehm, allem voran dass Sie immer zuerst fragten „How are you?“. Die Ausreise aus Kenia verlief problemlos, doch der Beamte beim letzten Schalter hatte schon nicht so Freude, wegen meines erst am Folgetag gültigen Visums. Er meinte zuerst, dass es mir heute nicht erlaubt sei einzureisen, doch schliesslich drückte er mir doch den Stempel in mein rotes Büchlein.

 

So ging die Fahrt also weiter hinein nach Tansania. Es war mittlerweile stockdunkel geworden. Auch Verkehr hatte es so gut wie keinen mehr. Jetzt musste ich einfach noch irgendwo ein Nachtlager finden und dieser erste spektakuläre Tag wäre geschafft. Es war ein ungutes Gefühl in einem mir unbekannten Land einfach so in die schwarze Nacht hinein zu fahren. Plötzlich sah ich ein grosses Tier mit langem Hals, welches vor mir die Strasse überquerte. Eine Giraffe. Es hatte also wirklich Tiere hier. Die Option Wildcampen war somit definitiv ausgeschlossen. Kurz darauf kam ich an eine Strassensperre, welche von der nicht wirklich offiziell aussehenden Polizei betreut wurde. Ich fragte den einzigen der 5 Männer der eine Uniform trug, ob ich hier irgendwo schlafen könne. Er meinte ich könne mit meinem Zelt hier bleiben, wenn ich wolle. Erleichtert parkierte ich mein Velo 10 Meter neben der Strasse hinter einem kleinen Baum. Beim Kochen kam immer mal wieder einer von diesen Polizisten und erkundigten sich nach meinem Wohlergehen. Nach dem Essen der Tomatensuppe und den Makkaroni al‘arrabiata baute ich dann auch schon das Zelt auf. An Heringe einschlagen war nicht zu denken, denn der Boden war viel zu hart und zu trocken. Ich liess somit das Überzelt weg und kroch um ca. 22:00 in mein Zelt und schlief bald ein. Es war eine unruhige Nacht auf dem harten staubigen Boden. Zudem waren auch immer das Gerede der Polizisten und ab und zu Motorengeräusche zu hören. Doch da ich in der Nacht zuvor nur 2.5 Stunden geschlafen hatte, konnte ich trotz diesen Umständen relativ gut schlafen.

Tag 4

 

Um ca. 6:00 wachte ich auf. Es fing schon langsam an, hell zu werden und so stieg ich bald aus dem Zelt.

Nach meinem Haferflockenbrei und der erfolgreichen Erstellung meines Gepäckstückes war ich wieder top motiviert um weiterzufahren. Ich winkte den Strassenwächtern zum Abschied nochmals zu und fuhr los. Die Landschaft war sogar noch schöner geworden als am Vortag.

Bäume, Berge, Wolken, Blauer Himmel und die wunderbar geteerte Strasse. Deutlich besser als in Kenia. Bald sah ich auf der rechten Seite 2 Affen am Herumrennen. Wenig später, als ich an einem Baum vorbei fuhr, sprang sogar eine ganze Affenbande von den Ästen und machte sich auf die Flucht. Eindrücklich. Noch nie hatte ich so etwas zu Gesicht bekommen. Wenig später sah ich sogar noch 2 Giraffen zu meiner Linken und da gerade eine Kiesstrasse in deren Nähe führte, verliess ich die Hauptstrasse, um ihnen so nah wie möglich zu kommen. Dabei gelang mir ein tolles Foto.

 

Es war fantastisch, diese mächtigen Tiere in ihrer freien Wildbahn beim Fressen von Akazienblättern beobachten zu können. Wenig später gab es nochmals etwas Eindrückliches zu sehen, denn ich hatte nun endlich einen mehr oder weniger guten Blick auf den Kilimandscharo.

 

Nicht nur die Pflanzen schienen unter der Trockenheit und Hitze zu leiden, nein auch ich spürte die Sonne stark, wie Sie auf mich nieder brannte. Ich wunderte mich, wie hier Menschen leben konnten. Alle paar Meter sah ich sogenannte Massai, wie sie mit ihren bunten Gewänder und Stöcken hinter, neben oder vor dem Vieh her zogen. Es war ein merkwürdiger Anblick. Wenn nicht ab und an ein Auto oder ein LKW vorbei gefahren wäre, hätte man meinen können, ich sei irgendwo weit in der Vergangenheit gelandet. Nach der erfolgreichen Umrundung des Arusha-Nationalparks, bei welchem ich leider dann keine Tiere mehr sichtete, erreichte ich einen Vorort von Arusha. Dort wechselte ich noch 80 US-Dollar in 184‘000 Tansania-Schillinge. Wenig später hielt ich um 14:30 bei einem Restaurant neben einer Tankstelle, welches zivilisiert aussah.

 

Nach der Stärkung mit Fleisch und Pommes Frites konnte die Fahrt auch schon weitergehen, doch irgendetwas stimmte wieder nicht. „Das darf doch nicht wahr sein“, dachte ich. Schon die zweite Panne, diesmal das Vorderrad. Der Reifen war platt. Es war umständlich, das Flickzeug aus dem Gepäck hervorzusuchen, aber dann machte ich mich an die Arbeit.

Ich war nicht geübt und so hatte der Austausch des Schlauches viel zu viel Zeit in Anspruch genommen. Erst um 16:00 konnte die Fahrt dann endlich fortgesetzt werden. Es war angenehm und dank den aufgezogenen Wolken auch nicht mehr so heiss. Je weiter ich mich von Arusha und dem in der Nähe stehenden Kilimandscharo entfernte, desto öfter winkten mir wieder Kinder und Leute zu, da Touristen hier seltener und ungewöhnlicher sind. Am späten Nachmittag durfte ich mich dann noch an einem TukTuk festhalten, welches mich einige Minuten mitzog. Tip top. Nun war es auch schon langsam Abend.

Die Sonne sank schnell und schon bald war es dunkel. Ich navigierte einen Ort an, den ich zuvor auf meiner Karte zu Hause mit einer verfügbaren Übernachtungsmöglichkeit markiert hatte. Gerade rechtzeitig, als es nun wirklich schon fast stockdunkel war, kam ich in das Dorf. Kurz darauf fand ich eine Unterkunft. 25‘000 Tansania Schilling umgerechnet 10 CHF soll eine Übernachtung kosten. Nicht viel eigentlich, doch dafür bekam ich auch nicht viel. Ein Zimmer mit einem Licht, welches kaum heller war, als meine Iphone-Taschenlampe und ein Badezimmer, welches auch mehr schlecht als recht war. Nach kurzer umständlicher und kalter Dusche ging ich dann essen. Ich bekam Reis und Hühnchen und dazu Cola, wenigstens etwas Vertrautes. Nach dem Essen war ich eigentlich zu müde, um noch am Bericht zu schreiben, doch ich war schon zwei Tage im Verzug und so setzte ich mich an das kleine Tischlein im Zimmer und begann zu schreiben.

 

Um 23:30 vernahm ich dann plötzlich eine Bewegung in meinem Augenwinkel. Ein riesiges (7cm langes) Viech krabbelte über den Boden. Dies gefiel mir gar nicht und als ich es dann genauer betrachtete, rutschte mir fast das Herz in die Hose. Es war eine Spinne. Hilfe! Und als diese dann noch schnell auf mich zukrabbelte konnte ich einen Ausruf nicht mehr unterdrücken. Zusammen mit diesem Viech konnte ich unmöglich im gleichen Zimmer schlafen und so musste ich etwas unternehmen. Als das Spinnentier eine entspannte Sitzposition gefunden hatte, ging ich sofort hinaus und suchte jemanden. Zum Glück kamen mir gleich zwei junge Männer entgegen, welchen ich dann mein Problem mit zitternder Stimme schildern konnte. Als ich ihnen dann das Tier zeigte, lachten sie nur. Der eine zerdrückte es dann lässig mit seinem Schuh und der Spuk war vorbei. Viel zu spät, erst um 1:30 stieg ich dann in mein weiches Bett und schlief schon bald tief und fest.

 

Tag 5

 

Schon früh wurde ich von den Gesängen einer Moschee geweckt und da ich die kühlen Morgenstunden ausnutzen wollte, kroch ich also aus den Federn. Um 6:15 war ich dann zurück auf der Strasse. Ich war noch nicht lange unterwegs, da sah ich auf einmal Zebras. Dutzende, ja fast schon hunderte Zebras waren überall in der Grassavanne zu beobachten.

Dies war schon mal ein guter und spannender Start in den Tag. Dank ein wenig Rückenwind und der guten Strasse kam ich trotz aufkommender Hitze gut voran. Um 11:00 sollte ich dann die Hauptstrasse verlassen und einen direkteren Weg nehmen über eine Nebenstrasse. Ich hatte es mir noch überlegt, ob ich den Umweg von ca. 20 Kilometer nicht doch auf mich nehmen sollte. Ich war nun aber schon genug lange auf dieser Strasse unterwegs gewesen und war auch bereit, einmal etwas Neues zu sehen. So bog ich also in den staubigen Weg ein. Sofort war alles noch näher um mich herum. Die Menschen, die Hütten, alles nur wenige Meter entfernt von meinem Weg.

Ich kam eigentlich nicht schlecht voran auf dieser sandigen Strasse, und ich schätzte meine Entscheidung, diese Strasse genommen zu haben, zu diesem Zeitpunkt noch als richtig ein. Nur die Hitze machte mir je länger je mehr zu schaffen.

 

Um 12:30 hielt ich also unter einer Akazie an und kochte mir meine Makkaroni. Bald kamen zwei junge Buben mit ein paar Ziegen im Schlepptau den Weg entlang. Sie blieben stehen und bewunderten beeindruckt meinen Benzinkocher. Sie hockten sich zu mir hin und sahen mir später beim Essen zu. Als ich so ass dachte ich daran, dass die beiden Kinder sicher auch Hunger haben mussten. Ich hatte sowieso nicht so grossen Appetit und so gab ich meine Pfanne mit knapp der Hälfte des Inhalts an den älteren ca. 10 Jahre alten Jungen weiter. Er und der Kleine assen die Pfanne gierig leer. Dieser Anblick ging schon unter die Haut. Diese armen Kinder. Wasser hatten sie auch keines, wie es schien, und so entbehrte ich einen halben Liter, welcher auch sofort geleert wurde.

Mehr konnte ich ihnen aber auch nicht da lassen, da ich selber noch Wasser brauchte. Dankbar gab mir der Junge die Pfanne wieder zurück. Wenig später fuhr ich nachdenklich weiter. Die Sonne brannte vom Himmel und der Weg wurde immer schlechter. Es war zwar enorm spannend und horizonterweiternd an den Lehmhütten vorbei zu fahren, aber an ein zügiges Vorankommen war nicht mehr zu denken. Zudem stieg das Terrain langsam an.

Je weiter ich fuhr desto schlechter wurde der Weg. Jetzt bereute ich langsam meine Entscheidung diesen Weg genommen zu haben und musste daran denken, dass ich wahrscheinlich trotz Umweg schon viel weiter hätte sein können, als ich es jetzt in diesem Moment war. Es war immer so: Am Anfang, wenn man noch umkehren könnte, ist der Weg noch gut und wenn man dann so weit gefahren ist, dass ein Umkehren unsinnig wäre, wird der Weg dann schlecht. Schlecht war sogar untertrieben. Bald musste ich mein Velo schieben. Kurz darauf führte dieser Pfad durch eine Ansammlung von Lehmhütten. Verwundert näherten sich Kinder und bestaunten mich und mein Velo. Wahrscheinlich hatte sich noch nie ein Tourist in dieses Dörfchen verirrt. Nach einem kurzen Dokumentationsfoto setzte ich dann meine Wanderung fort. Die Kinder waren dann aber nicht wieder in ihre Hütten zurückgekehrt, nein, sie kamen alle mit und alle paar Meter kamen noch neue dazu. Als wir dann die letzten Hütten des Dorfes passiert hatten, waren es schon fast 20 Kinder, welche mir lachend hinterher spazierten. Als es dann so steil wurde, dass ich mein Velo kaum noch schieben konnte halfen sie mir, indem sie von hinten anschoben. Bevor dann alle wieder umkehrten, versuchte ich ein Gruppenfoto mit ihnen als Erinnerung zu machen.

Danach ging es also wieder alleine weiter. Ich stiess langsam aber sicher an meine Grenzen. Hitze, Müdigkeit, Höhe, Blähungen und die miesen Strassenverhältnisse setzten mir gewaltig zu. Zudem war das Velo mit all dem Gepäck so schwer, wie noch nie, was das Schieben noch mühsamer und kräftezehrender gestaltete. Um 15:30 kurz bevor ich die Spitze des Berges (1700 M.ü.M) erreichte, hatte ich nochmals einen wunderschönen Blick über die Ebene von wo ich gekommen war.

Es war aber noch nicht geschafft, es lagen immer noch etwa 6 Kilometer vor mir, bis ich die Hauptstrasse wieder erreichen würde. Bei einem erneuten Aufstieg traf ich dann wieder auf Leute. Dieses Mal waren es 3 junge Erwachsene in meinem Alter, welche ebenfalls mit einem Fahrrad unterwegs waren. Auch hier half mir wieder einer beim Stossen. Es war schon fast 17:00, als ich endlich wieder auf der Hauptstrasse war. Nun kam ich wieder markant zügiger voran und dank dem leichten Rückenwind waren die Strapazen von vorhin schon fast vergessen. Zudem wurden auch die Temperaturen wieder angenehmer. Schon bald ging die Sonne unter, es dämmerte und nicht lange später war es dunkel. Ich war aber zum Glück auch schon fast in Kateshi. Dort müsste es gemäss Google Maps eine Unterkunft geben. Die letzten Meter bis Kateshi durfte ich mich sogar noch an einem Lastwagen festhalten, welcher dafür extra langsamer fuhr. Die Unterkunft wurde dank zwei hilfsbereiten jungen Männern problemlos gefunden. Schon bald sank ich nach einer preiswerten Portion Hühnchen mit Reis und einer kalten Dusche todmüde ins Bett.

 

Tag 6

 

An diesem Tag stand ich später auf als sonst, denn ich musste ja mein Schlafdefizit mal wieder abbauen. Erst um 8:20 ging es wieder weiter. Es geschah nichts Spektakuläres oder ausserordentlich Spannendes. Ich hatte mich langsam an die neue Kultur und die Aufmerksamkeit, welche ich erweckte, gewöhnt. Auch war es nun selbstverständlich, dass Kinder oft schon von weit her pfiffen, schrien, riefen, lachten und winkten, wenn sie mich sahen. Ich fand dies sehr unterhaltsam und genoss es in die vielen glücklichen Gesichter zu schauen, nachdem ich dann selbst zurück gewinkt hatte. Zum Glück zogen an diesem Tag schnell Wolken auf und die Temperatur blieb sehr angenehm. Am Nachmittag verliess ich dann wieder einmal die Hauptstrasse, um den Weg abzukürzen. Dieses Mal schien die Strasse längerfristig gut zu sein, also folgte ich meiner Karte. Nach 15 Kilometern Holperpiste und ein wenig Regen füllte ich in einem grösseren Dorf noch meine Wasserreserven nach und ass für umgerechnet knapp einen Franken eine Portion Pommes Frites. Als ich noch nach einer Cola fragte, bedeutete man mir kurz zu warten. Der junge Mann, welcher mir die „Chips“ gebraten hatte, eilte kurz in ein Nachbarsgeschäft und kam wenig später mit einer Glasflasche wieder zurück. 500 Tansania-Schillinge soll mich das kosten, umgerechnet gerade einmal 20 Rappen. Unglaublich. Kurz vor 18:00 traf ich dann in Ikungi wieder auf die Hauptstrasse. Da der Karte zu entnehmen war, dass nun länger nichts mehr kommen würde, entschied ich, die Nacht in diesem Ort zu verbringen. Schnell war eine Lodge gefunden. In einer rudimentären Strassenbeiz ass ich dann mal wieder Reis und Hühnchen zum Abendessen. Um mich herum sassen noch andere Leute, drei Damen und ein Herr. Ich versuchte ihnen zu übermitteln, was ich hier mache und wie meine Reisepläne aussehen. Sie lachten und fragten immer wieder ungläubig nach ob ich wirklich mit dem „Baiskeli“ nach Namibia fahren wolle. Ich war somit also in guter Gesellschaft an diesem sehr speziellen Heiligen Abend.

 

Tag 7

 

Kurz vor 8:00 verliess ich meine Unterkunft und war schnell wieder zurück auf der Hauptstrasse. Ausser dem leichten Regen passierte nichts Aussergewöhnliches. Um 9:20 machte ich, wie schon fast jeden Morgen eine Znüni-Pause und kochte mir einen Haferflockenbrei.

 

Als ich dann eine halbe Stunde später weiter fahren wollte, bemerkte ich wieder einmal, dass etwas mit dem Velo nicht stimmte. Schnell checkte ich den Druck meiner beiden Reifen und tatsächlich, das Hinterrad schien Luft zu verlieren. «Nicht schon wieder», dachte ich. Zum Glück half mir ein Viehhirte bei den Flickarbeiten und so konnte die Fahrt schon um 10:30 fortgesetzt werden. Als Dank gab ich dem hilfsbereiten Herrn noch 3‘000 Tansania Schillinge, was ihn sehr freute. Wenn ich aber gewusst hätte, was mir bald passieren würde, hätte ich ihm noch mehr gegeben. Ich war also noch keine halbe Stunde unterwegs gewesen, da sah ich ein kleines Plastiksäcklein auf der Strasse liegen mit etwas Rötlichem darin. Sofort hielt ich an und ging die paar Meter zurück. Meine Vermutung hatte sich bestätigt es war Geld in dem Säcklein. Ohne zu zögern packte ich es rasch in meine Dreiecks-Tasche und fuhr sofort weiter. Ich musste aber bald daran denken, wie sich wohl diese Person fühlen musste, wenn Sie bemerkte dass sie so viel Geld verloren hatte. Aber was hätte ich machen sollen? Das Geld lag auf einer relativ stark befahrenen Bundesstrasse und wenn ich das Geld nicht genommen hätte, hätte es nun jemand anderes. Dass es den rechtmässigen Besitzer wieder finden würde, war sowieso fast ausgeschlossen. Wie auch immer ich hatte nun das Geld und behielt es. Gegen Mittag hielt ich dann mal an um das Geld zu zählen und unter die Lupe zu nehmen. Es war mehr als ich erwartet hatte. Ich hatte doch tatsächlich 300‘000 Tansania-Schillinge gefunden, was umgerechnet einem Wert von 115 CHF entspricht.

Mein mit Abstand grösster Geldfund meines Lebens. Es gefällt. Als ich dann nach total 60 Kilometern in Itigi war, gönnte ich mir nochmals eine Portion „Chips“ und beschaffte mir noch 5 Liter Flüssigkeit, da gemäss meiner Karte nun für längere Zeit nichts mehr kommen würde.

 

Nun fing der unasphaltierte Teil dieser Tour an. Bis fast an die Sambische Grenze sollte es nun über losen Untergrund gehen. Anfangs hatte ich noch Mühe mit diesem Weg, doch schon bald wusste ich, wo ich genau fahren musste, damit sich das Vorankommen einigermassen angenehm gestaltete. Irgendwie genoss ich es auch einmal alleine unterwegs zu sein: ohne hupende Lastwagen, ohne aufmerksame Blicke und ohne Rufe von irgendwelchen Kinder. Nur ich alleine auf der Strasse, irgendwo im Nirgendwo.

Auch die Vegetation hatte es mir angetan. Es schien schon fast so, als käme ich langsam in den Regenwald. Je weiter ich nämlich in den Süden kam desto grösser wurden die Bäume und feuchter und tropischer wurde die Luft. Auch exotische Tiere hatte ich gesehen. Als erstes wanderte eine riesige Raupe (20 cm) über die Strasse. Später spazierte noch ein Chamäleon über den Pfad und zum Schluss sah ich noch eine schwarze ca. 1 Meter lange Schlange. Ich war nicht sicher aber es hätte sogar die berühmt berüchtigte schwarze Mamba gewesen sein können. Eine der giftigsten Schlangen der Welt, von welcher ein Biss in wenigen Minuten tödlich sein würde.

 

Bald neigte sich auch dieser Tag wieder dem Ende zu. Ich hielt auf eine Ortschaft zu namens Mitundu. Bei den letzten Kilometern musste ich mich enorm beeilen. Es war schon dunkel und von links zog eine grosse Front heran. Als ich dann endlich mein Zielort erreichte, hatte es schon begonnen leicht zu regnen. Jetzt musste ich nur noch eine Unterkunft finden. Ich fragte mich durch und zum Glück erklärte sich bald ein junger Mann bereit, mich hin zu führen. Als ich dann bei der Unterkunft war, fing es wie aus Kübel an zu schütten. In letzter Minute rettete ich mich und mein Velo in die Unterkunft. Es war bis zu diesem Zeitpunkt die schlechteste Unterkunft auf meiner Reise. Von einem Loch in der Decke tropfte Wasser in mein Zimmer, das Badezimmer hatte kein Licht, das Klo hatte keine Kloschüssel und das Brüneli hing schon so schief von der Wand, dass es jeden Moment runter zu fallen drohte. Ich war aber trotzdem froh, hier zu sein. Wenig später stand ich dann wieder im Regen und machte mich auf dem Weg, etwas zum Nachtessen zu finden. Zum Glück war der 20-jährige Herr namens Johannes immer noch an meiner Seit und führte mich zu einer Art Restaurant. Nach guter Speise begleitete er mich noch zu einem Unterstand an dem viele junge Leute Billard spielten. Für 200 Schillinge konnte ich bei der nächsten Runde auch teilnehmen, und so war ich schon bald mitten drin im Spiel. Um 21:00 war ich dann wieder im Zimmer und ging schon bald zu Bett.

 

Tag 8

 

Schon früh klopfte es an meine Tür. Es war Johannes. Er erkundigte sich, ob ich ein Frühstück bräuchte. Ich bejahte und so wartete er, bis ich abfahrbereit war.

Nach einem gemeinsamen Foto führte er mich zu einer Baracke, wo uns dann wenig später Omeletten und Tee serviert wurden. Es war mal schön nicht alleine zu sein und einen lokalen Führer an meiner Seite zu haben. Während wir assen, erklärte er mir dann noch in stockendem Englisch, dass die Schlange, welche ich am Vortag gesehen hatte nicht gefährlich sei und es sich dabei nicht um die schwarze Mamba handeln würde. Nach einer kurzen Dorfführung, bei welcher ich noch Getränke und Bananen kaufte, verabschiedete sich der nette junge Herr. Als er dann noch nach Geld fragte, gab ich ihm noch 10‘000 Schillinge. Ich war wirklich froh gewesen um seinen Service, und er war ein guter Typ und hatte es verdient. Die ersten Kilometer waren angenehm und die Strasse war trotz Starkregen am Vorabend gut passierbar. Doch bald zogen Wolken auf und wenig später schüttete es, wie aus Eimern. Es war äusserst mühsam durch den Morast zu fahren und die Strasse war nun so aufgeweicht, dass ich nur noch im Schneckentempo voran kam.

 

Das Ganze war zudem auch eine recht langweilige Angelegenheit, denn ausser einer kleinen gesichteten Schlange, einem Chamäleon und ein paar Affen hatte ich keine Begegnungen. Nur selten kreuzte mich mal ein Motorrad oder ein Lastwagen.

Kein Wunder gab es hier keinen Verkehr.

 

Als dann der Regen endlich vorbei war, kam schon das nächste Übel. Ich wurde von Mücken und Brämen gejagt. Auch das immer wieder aufgetragene Antibrum Forte störte die aggressiven Viecher nicht wirklich. Es war einfach nur enorm mühsam. Nach 128 Kilometer holpriger Schlammpiste traf ich dann erschöpft in Rungwa ein. Die Unterkunft, welche umgerechnet 4 CHF kostete, legte aber nochmals eine Schippe oben drauf, was Schlechtigkeit anging. Ein kleines Kämmerchen mit Bett, ein Gemeinschafts-WC ohne Schüssel, ohne WC-Papier und ein Duschkämmerchen, bei dem man sich von draussen aus einer Tonne ein wenig Regenwasser mit einem Kübel holen konnte. Der Höhepunkt dieses Tages kam am Abend als ich im Dorfzentrum auf mein Nachtessen wartete. Da kam nämlich gerade ein Weisser auf dem Gepäckträger eines Motorrades an. Sofort ging ich zu ihm hin und fragte woher er komme. „Austria“, sagte er und so konnte das Fest beginnen! Endlich konnte ich mich mal wieder normal unterhalten und über die Widrigkeiten hier diskutieren und lachen. Nach dem gemeinsamen Essen mit Walter führte ich ihn in die Unterkunft. Netterweise durfte ich später noch seinen Stromstecker ausleihen, denn ich hatte keinen Strom mehr auf meiner Solarpowerbank.

 

Tag 9

 

Nach einem Frühstück mit Walter, bei welchem ich wieder genau das Gleiche bekam, wie beim Abendessen nämlich „Chips“ mit Eier und zum Trinken eine Cola, ging die Fahrt weiter.

Ich kam wie schon am Vortag schlecht voran und es war eine Frage der Zeit bis passierte was passieren musste. Ich hatte wieder mal eine Panne. Einen Platten hätte ich schon bald routiniert flicken können, doch es war wieder ein grösseres Problem. Wieder eine Speiche war rausgefallen. Dieses Mal die Nachbarspeiche des vorherigen Sorgenkindes. Glücklicherweise konnte sie mir gleich jemand ganz entfernen. Hier irgendwo in der Pampas konnte ich nicht so leicht eine neue Speiche auftreiben und so war es schon 16:00, als ich bei einem Dorf so etwas wie einen Velomech fand. Man könne das Problem lösen, sagte man mir, doch die Handwerker schienen inkompetent. Nicht einmal mein Hinterrad konnten Sie ohne meine Hilfe entfernen. Als dann das Rad entfernt war, vermittelte mir der Mech, dass die Kränze noch im Weg seien. Ich hatte selbst keine Ahnung, aber ich versuchte irgendwie die Metallscheiben zu entfernen, doch ich schaffte es nicht, da ich, so wie es aussah, einen speziellen Shimano-Schlüssel dafür gebraucht hätte. Genervt baute ich dann das Velo wieder zusammen, wobei das Hinterrad durch mein Herumgeschraube noch schlechter lief als vorher. Nachdem ich dann alle meine Taschen unter Beobachtung des halben Dorfes montiert hatte fuhr ich dann halt mit der fehlenden Speiche weiter. Das einzige was ich tun konnte war meine schweren Hinterrad-Taschen am Vorderrad zu montieren und die leichten Vorderrad-Taschen hinten zu befestigen. Das Fahren war so natürlich deutlich mühsamer. Es war klar, dass es nun auch noch anfangen musste zu regnen.

Der Regen prasselte nur so auf mich nieder und aus dem sandigen Weg wurde so langsam wieder eine Schlammpiste mit kleinen Bächen und Seen. Ich blieb teils sogar fast stecken. Zudem musste ich noch ständig dem quietschenden Getriebe meines Velos zuhören, welches langsam aber sicher zugrunde ging.

 

Es dauerte nicht mehr lange, da wurde es auch schon wieder dunkel. Doch mein Ort, welchen ich angepeilt hatte, war nicht mehr zu erreichen und eine Siedlung schien in absehbarer Zeit nicht zu kommen. So blieb mir nichts anderes übrig als mutterseelenalleine bei Dunkelheit durch diesen Morast zu pedalen. Es wollte und wollte einfach keine Siedlung kommen und der Regen wurde immer stärker. Um 20:00 sichtete ich dann rechts neben der Strasse ein paar Strohhütten. Sofort stieg ich ab und ging auf die Hütten zu. Unter einem Strohdach sah ich einen Mann. Ich fragte ihn schon leicht verzweifelt nach einem „Place to Sleep“. Er zögerte zuerst, doch dann meinte er „Yes“ und bedeutete mir, ihm zu folgen. Er führte mich zu einer kleinen Lehmhütte mit Wellblechdach, räumte ein paar Töpfe und Schüsseln zur Seite und löschte das Feuer in der Ecke. Dann holte er aus einem Nebengebäude eine Art Matratze.

Ich gab ihm ein wenig Geld und als ich nach Food fragte, brachten mir zwei Kinder noch irgendwelche speziellen Brote. Bald schon lag ich auf der Schaumstoffmatte, und so war wieder ein Tag überstanden.

 

Tag 10

 

Ich verliess die Hütte sobald es hell wurde und so holperte ich weiter über Stock und Stein. Als ich ein paar Kinder sah, welche Mauersteine für den Hüttenbau transportierten stieg ich ab und hielt den Moment fest.

Dem kleinsten Jungen nahm ich dann den Stein ab. Brutal schwer! Mindestens 5kg. Respekt an die junge Dame, dachte ich mir. Es war nicht das erste Mal in Tansania, dass ich schon so junge Kinder arbeiten sah.

 

Nach vielen mühsamen Kilometern machte ich dann um 14:00 mal eine Pause und kochte mir eine Portion Penne. Wenig später kam eine ältere Frau vorbei mit einem Kübel auf dem Kopf und einem langen dürren Ast auf der Schulter. Sie flehte mich an, ihr etwas von meinem Essen zu geben. Ich wurde schwach und gab ihr zwei Farmer und noch einen Liter Wasser. Sie dankte mir vielmals. Schon schlimm so etwas.

 

Der Weg wurde in der Tendenz immer sandiger und steiniger, was noch mühsamer war, als auf dem roten und meist harten Schlamm zu fahren. Ich hatte langsam wirklich gar keine Lust mehr auf diese Holperpiste und war froh, als ich zur Ablenkung ein wenig mit einem Motorradfahrer plaudern konnte. Dieser Motorradfahrer, welcher für tansanische Verhältnisse enorm gut Englisch sprach, eskortierte mich dann in gut 90 Minuten zu einer guten Unterkunft. Dort halfen er und seine Frau mir sogar noch das Gepäck in mein Zimmer zu bringen. Zudem wurden noch gemeinsame Fotos gemacht und Nummern ausgetauscht.

Eine nette Begegnung. Das Hotel war zwar markant teurer, als die letzten paar Unterkünfte, doch ich war selten froh mal wieder einigermassen zivilisiert hausen zu können. Nach erneutem aber diesmal sehr gutem Reis mit Chicken ging ich dann auch schon wieder ins Bett.

 

Tag 11

 

Schon um 4:45 stand ich auf, denn ich wollte den noch weit entfernten Grenzort Tunduma erreichen. Aufgrund eines Tipps des am Vortag kennengelernten Paares war ich dann nicht meiner Route gefolgt, sondern nahm einen markanten Umweg über eine Bundesstrasse. Bundesstrasse hiess nicht automatisch gute Strasse, es hiess einfach grössere Strasse. Unglücklicherweise war die Strasse wirklich mies. Am Morgen beobachtete ich gerade einen Bananentransporter, welcher in einem Schlammloch stecken geblieben war. Kein Wunder.

 

Die Strasse war so schlecht, dass ich sogar mal bei einem sandigen Abschnitt ausrutschte und stürzte. Glücklicherweise konnte ich gerade noch abspringen und auf den Füssen landen und mein Velo war auch heil geblieben.

 

Gegen 10:00 erreichte ich dann den tiefsten Punkt meiner Tour mit 820 m.ü.M in der Nähe eines Sees. Dort sah ich, wie dutzende Menschen mit ihren Hacken Unkraut zwischen den Maispflanzen entfernten. Dies hatte ich hier schon zuhauf gesehen, und es führte mir immer wieder vor Augen, wie schlecht entwickelt dieses Land war. In der Schweiz Maisfelder von Hand zu jäten - undenkbar.

 

Der Weg fing schon bald an zu steigen, und das Ganze wurde so noch schwieriger. Zudem stresste mich auch noch das ständige Gechrose und Gequietsche meiner staubigen Kette. Um 15:30 nachdem ich schon 9.5 Stunden unterwegs war, erreichte ich dann nach diesen äusserst mühsamen letzten 475 Kilometern endlich wieder eine asphaltierte Strasse. Kurz bevor ich dann auf die Bundesstrasse in Richtung Sambia abbog, liess ich mein Velo für 2000 Schillinge noch reinigen. Das Velo war danach wieder wie neu und es fühlte sich himmlisch an nach diesen Strapazen wieder eine schön asphaltierte Strasse unter den Reifen zu spüren. Nur der starke Verkehr mit den vielen Lastwagen, welche zum Teil wie die Henker fuhren, störte ein wenig. Einem Lastwagen war dies aber selber zum Verhängnis geworden. Er lag nämlich demoliert, halb gekippt und mit verbogenem MAERSK Container im Strassengraben. Es konnte noch nicht lange her gewesen sein, denn alles sah noch frisch aus. Auf jeden Fall stieg auch diese Strasse noch weiter an, bis ich schliesslich todmüde und ko um 19:30 auf knapp 1600 Meter Höhe in Mlowo ein Hotel fand. Zum X-ten Mal ass ich „Chips with Eggs“ und sank nach kurzem Schreiben auch schon wieder ins Bett.

 

Tag 12

 

Nach der letzten Nacht in Tansania ging es dann weiter in Richtung Tunduma, der Grenzstadt zu Sambia. Knapp 10 Kilometer vor der eigentlichen Grenze fingen sich schon an die Lastwagen zu stauen.

So etwas hatte ich noch nie gesehen. Es würde Stunden, wenn nicht Tage dauern bis die hintersten Fahrzeuge Sambia erreichen würden, denn die Kolonne schien nahezu still zu stehen. Auch verkehrstechnisch war es nicht gerade günstig, dass eine der beiden Fahrspuren blockiert war. Alle restlichen Fahrzeuge mussten so auf einer Spur irgendwie aneinander vorbei finden. Kurz vor 11:00 erreichte ich dann Tunduma. Bei einem kleinen Shop, in welchem ich noch meine Getränkereserven auffüllte, erkundigte ich mich noch nach einem Velogeschäft. Nur wenige Augenblicke später war ich schon auf dem Weg, geführt von zwei jüngeren Männern. Nach einigen Minuten Fussmarsch durch die unorganisierte und chaotische Stadt trafen wir dann beim «Velogeschäft» ein, respektive, es war eher ein Hobby-Outdoor-Fahrrad-Mech als etwas anderes. Ich dachte mir, dass ich einen Besen fressen würde, wenn die hier meine gebrochene Speiche reparieren können. Schon bald stand mein Velo über Kopf und das Hinterrad wurde wieder einmal demontiert.

 

Mit allen Mitteln versuchten dann ein paar Männer meine Schaltblätter abzuschrauben, um so den zu flickenden Ort zugänglich machen zu können. Sie würgten, schraubten und zogen am Rad herum, doch es nützte alles nichts.

Die Schaltblätter liessen sich nicht demontieren. Ich dagegen hatte Angst, dass sie irgendetwas kaputt machten und noch grösseren Schaden an meinem teuren Rad anrichten würden. Doch nach über 30-minütigem Probieren hatten sie es unerwarteterweise doch geschafft die Schaltblätter abzuschrauben. Ob sie diese dann wieder richtig zusammen bauen konnten, war dann eine andere Frage. Aber nun ging es zuerst einmal daran die gebrochene Speiche auszuwechseln. Jetzt stellte sich auch die Ursache für den erneuten Speichenbruch heraus. Es war nämlich kein Zufall, dass es gerade den Nachbar der 1100 Kilometer zuvor ersetzen Speiche getroffen hatte. Der Mech fragte mich nämlich, ob er die genannte Speiche ebenfalls ersetzen könne, da diese Schrott sei. Jetzt war alles klar! Diese Schrottspeiche hatte mir den erneuten Speichenbruch beschert. Diese Gauner in Namanga hatten mir doch tatsächlich eine Schrottspeiche eingebaut und dafür den horrenden Preis von 25 Dollar verlangt, das konnte doch nicht wahr sein! Dieser Herr hier schien deutlich seriöser zu sein und so vertraute ich seinem Rat. Als dann alles unerwartet schnell wieder montiert war, machte der Mech sich an die Arbeit, mein Rad neu zu eichen. Es war natürlich durch die lange Fahrt mit einer schlechten und einer fehlenden Speiche über Stock und Stein ausser Form geraten und musste wieder korrigiert werden. So drehte der Mech an diversen Speichen herum, um so das Rad wieder ganz rund zu bekommen. Danach wurde das Rad wieder definitiv montiert und der Schlauch gepumpt. Somit waren die Arbeiten beendet. Nach einer kurzen Probefahrt bei der alles in Ordnung schien, fragte ich dann, was mich dieser 60 minütige Service kosten würde. Der Mech verlangte 10‘000 Tansania Schillinge - umgerechnet 4 Franken. Er schien wirklich gute Arbeit geleistet zu haben und so belohnte ich den fairen Preis mit dem doppelten Betrag, was ihn sehr freute. Auch meinen beiden Begleitern, welche dem Handwerker ab und zu assistiert hatten, gab ich noch ein kleines Trinkgeld, bevor ich mich dann wieder auf den Weg machte.

 

Die Wolkendecke vom Morgen hatte sich verzogen und so war ich froh, als ich mich in das kühle Zollgebäude verziehen konnte. Die Formalitäten liefen schleppender voran, als beim letzten Grenzübertritt, doch nach gut einer halben Stunde konnte ich das Gebäude mit einem Ausreisestempel von Tansania und einem Einreisestempel von Sambia wieder verlassen. Kurz nachdem ich dann die Grenze passiert hatte, wollte man mir noch meine Tansania Schillinge in sambische Kwacha wechseln. Nach langen Verhandlungen bekam ich für meine restlichen 13‘100 Schillinge 1040 Kwacha.

 

Bei strahlendem Sonnenschein ging die Fahrt dann endlich weiter. Doch geniessen konnte ich es irgendwie nicht wirklich. Die Sonne brannte vom Himmel und ich hatte leichte Kopfschmerzen. Trotz der langen Flick- und Zoll-Pause fühlte ich mich nicht ganz fit und irgendwie kraftlos. Zudem fühlte sich mein Bauch schon den dritten Tag in Folge so an, als wäre ein Stein darin. Um 16:00 entschied ich, die nächst mögliche Unterkunft zu nehmen. Als ich um 17:00 bei einem grösseren Dorf eine Strassensperre der Polizei erreichte, fragte ich diese nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Zum Glück gab es ausserhalb dieses Ortes ein paar Chalets, wo ich übernachten könne. Ich war froh, als ich endlich dort ankam und meine kleine Hütte betreten konnte. Es war ein schöner, ruhiger und idyllischer Ort, bei welchem sich so um die 10 kleine Hütten unter ein paar Bäumen befanden. Als ich nach Wlan fragte, wurde mir von den Besitzern, welche aussergewöhnlicherweise ebenfalls Weisse waren, angeboten ihr privates W-LAN zu nutzen. Nach dieser langen Zeit konnte ich endlich mal wieder alle meine Nachrichten beantworten und mit der Familie telefonieren. Dies war super. Nach Penne mit Pesto ging ich dann schon um 20:30 erschöpft zu Bett.

 

Tag 13

 

Die ganze Nacht hatte ich Fieberträume. Ich schwitzte und hatte Bauchkrämpfe. Am frühen Morgen schleppte ich mich vor meine Hüte und musste mich übergeben. Ich fühlte mich im Elend - todkrank alleine in Afrika. Den ganzen Morgen verbrauchte ich mit Schlafen. Um 10:00 raffte ich mich dann zusammen und ging zum 100 Meter entfernten Haus der Besitzer, um sie über meinen Zustand zu informieren und sie um Getränke zu bitten. Der Frau machte mein Zustand Sorgen und nach Erklärung meiner Symptome meinte Sie, dass ich zum Arzt gehen sollte um abzuklären, ob ich Malaria habe, denn dies könne trotz Prophylaxe vorkommen. Ich wollte es auf den Nachmittag verlegen, da ich so kraftlos war, doch Sie meinte je schneller desto besser, und so holte ich noch ein paar Sachen von meiner Hütte. Als wir, der schwarze Herr, der mich begleitete und ich an den parkierten Autos vorbei gingen, fragte ich entsetzt, ob wir laufen müssten. Er meinte, es sei nur etwa 1 Kilometer. Ich konnte es nicht glauben. Es regnete stark und so gingen wir den schlammigen Weg entlang. Ich kam an meine Grenzen und war völlig erschöpft als wir dann endlich beim Gebäude ankamen. Sofort legte ich mich nieder. Nachdem ich 30 Minuten auf dieser harten Steinbank gelegen hatte, sagte mir meine Begleitperson, dass kein Arzt hier sei und auch nicht in absehbarer Zeit kommen würde und wir uns somit wieder auf den Rückweg machen sollten. Das durfte doch nicht wahr sein, der ganze Weg umsonst! Fast täglich auf dieser Reise hatte ich den einen Gedanken, doch nie war er stärker, als in diesem Augenblick: «Gott sei dank lebe ich in der Schweiz.» Nach dem kräftezehrenden Rückweg war ich dann enorm froh, als ich wieder in meinem weichen Bett lag.

Ich schlief eigentlich den ganzen Nachmittag begleitet von wirren Träumen. Am Abend kochte ich mir dann noch eine Bouillon, da ich mal wieder irgendetwas essen musste. Wenig später kamen auch noch die Besitzer bei meiner Hütte vorbei, erkundigten sich nach meinen Zustand und brachten mir noch etwas zu essen. Sehr lieb. Um 20:30 ging ich dann definitiv zu Bett und schlief unerwartet rasch ein.

 

Tag 14

 

Ich schlief glücklicherweise durch bis morgens um 5:00. Mit einem Hörspiel startete ich in den Tag. Ich fühlte mich schon markant besser, als am Vortag aber immer noch recht angeschlagen. Zum Frühstück kochte ich mir eine Kartoffelcreme-Lauch Suppe welche ich noch von zu Hause mitgenommen hatte. Nachdem ich in meinem Bett noch ein wenig gechillt hatte, kam mich dann jemand abholen für das Mittagessen. Die Speise war super und es tat so gut, mal wieder etwas Richtiges zu essen. Nach einer kleinen Führung durch die angrenzenden Gewächshäuser war ich dann um 15:00 wieder im Zimmer. Ich versuchte mich so gut wie nur möglich zu erholen, denn morgen sollte ja die Fahrt mal wieder weiter gehen. Mein Tagessoll an Kilometer hatte sich durch diese Pause ja ohnehin schon von 120 auf 132 Kilometer erhöht. Dies war noch zu schaffen, aber noch einmal solch ein Problem würde eine rechtzeitige Erreichung des Flughafens in Windhoek verunmöglichen. Nach einer selbst gekochten Portion Penne und der allerersten heissen Dusche meiner Reise war auch dieser Tag vorbei und ich hoffte, dass mit diesem Tag auch meine immer noch anhaltenden starken Blähungen ein Ende finden würden.

 

Tag 15

 

Schweissgebadet wachte ich gegen 6:00 Uhr auf. Ich fühlte mich angeschlagen und erschöpft und nicht viel besser als am Vortag. Doch ich hatte mir vorgenommen, die Fahrt heute fortzusetzen und so fing ich an, meine Sachen zu packen.

Eine gute Stunde später war ich dann wieder zurück auf der Tour. Die ersten Meter fühlten sich so an, als hätte ich schon 300km hinter mir. Da ich im letzten Sommer schon einige Male in einem ähnlichen Zustand unterwegs gewesen war, wusste ich, dass es möglich war, auch in diesem Zustand noch einige Stunden Strecke zu machen. So gab ich mein Bestes und dank ein bisschen Musik in den Ohren und den teils nigelnagelneuen Strassen kam ich nicht schlecht voran.

 

Am Mittag ass ich dann in einem Restaurant eine Portion Reis mit Fleisch. Dort kam ich ins Gespräch mit zwei LKW-Fahrern. Obwohl ich es selbst gesehen hatte, konnte ich nicht glauben was Sie mir berichteten. Nämlich dass es wirklich schlimm sei von Tansania über den Zoll nach Sambia hinein zu fahren und dass die Wartezeit - jetzt haltet euch fest - zwischen 7 und 10 Tagen betragen würde. Zwischen 7 und 10 Tagen, das ist doch Wahnsinn! Auch auf der Strasse merkte man, dass die Lastwagen nur sehr zögerlich durch gewinkt werden, denn mehr als durchschnittlich einer pro 5 Minuten kam nicht. Auch sonst war das Verkehrsaufkommen eher gering, was angenehm war. So ging auch dieser Tag langsam dem Ende zu.

 

Das Fahren ging wirklich unerwartet gut, doch die letzten Kilometer bis nach Chinsali verlangten mir nochmals alles ab. Es war schon dunkel, als es passierte. Plötzlich zwickte es in meinem Knie und es entstanden solch starke Schmerzen, dass ich aufschreien musste. Von einem Moment auf den anderen wurden aus einem schon seit Tagen anhaltenden leichten Ziehen im Knie starke Knieschmerzen. Dies war höchst ungünstig. Es war schon Nacht, als ich halb tot und ko endlich nach über 150 Kilometern in Chinsali eintraf. Die Unterkunft war zwar wieder einmal selten mies, doch war ich froh überhaupt etwas gefunden zu haben. Nachdem ich mal wieder mein «Lieblingsmenü» gespiesen hatte, fiel ich dann erschöpft ins Bett.

 

Tag 16

 

Ich startete schon früh, denn ich wollte den 175Km entfernten Ort Mpika erreichen. Vorher gab es nämlich gemäss meiner Karte keine Übernachtungsmöglichkeit. Nachdem ich vergeblich versucht hatte, noch etwas zum Frühstück aufzutreiben, war ich also um 6:15 wieder zurück auf der Bundesstrasse und musste mich mit meinen Ginger-Cookies begnügen. Schnell fing es an leicht zu regnen. Dies war aber nicht das Schlimme. Das Schlimme waren meine Knieschmerzen, welche immer noch unverändert stark waren. Bei jedem Tramp schoss ein höllischer Schmerz durch mein Knie und erinnerte mich daran, dass es das bald gewesen sein könnte mit dieser Tour, wenn es so weiter gehen würde. Gegen 10:00 bemerkte ich zudem, dass etwas mit dem Hinterrad nicht in Ordnung war. Als ich genauer hinsah, musste ich feststellen, dass es nicht gut aussah.

Unmittelbar nach dem Dokumentationsfoto platzte die Luftblase und der Reifen war nullkommanichts platt. Auch das noch. Ein kaputter Reifen und ein kaputter Schlauch. Ich hatte wirklich riesiges Pech! Wie hatte ich dies nur verdient. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Missmutig nahm ich meine Taschen vom Velo und stellte es mit dem Lenker voran in den Strassengraben. Es ging nicht lange, da standen die ganzen Leute, welche in den umliegenden Hütten wohnten um mich herum. Wenigstens halfen auch einige bei den Flickarbeiten. Es war mit Abstand die mühsamste Pannenbehebung, denn der Regen erschwerte die Arbeiten stark. Auch diese Art von Panne feierte Premiere auf dieser Tour. Zum Glück hatte ich einen Ersatzreifen dabei. Dieser war zwar eigentlich dafür gedacht den abgefahrenen Reifen nach einigen tausend Kilometern zu ersetzen, doch nun musste er halt schon jetzt übernehmen. Die Dorfbewohner meinten, dass Sie solch einen kaputten Reifen flicken würden und so überliess ich ihnen diesen zusammen mit einer 50 Kwacha Note. Nach einem gemeinsamen Foto konnte dann meine Fahrt endlich fortgesetzt werden.

Die Frage war nur wie lange noch, denn die Schmerzen waren kaum noch aushaltbar. Nach dem Mittag hatte es dann wenigstens aufgehört zu regnen, doch mein Knie war in so schlechtem Zustand, dass ich verzweifelt nach einem Dafalgan griff. Dies half aber nicht und zu allem Übel kam dann auch noch leichter Gegenwind auf. Es war ein Tag zum Vergessen. Als mich bei einer unasphaltierten Stelle ein Tanklastwagen im Schritttempo überholte, fragte ich den Fahrer durch das offene Fenster, ob er mich vielleicht den nächsten Hügel hochziehen könne. Diese Bitte konnte er mir natürlich nicht ausschlagen. Somit smilte ich das erste Mal an diesem Tag, während ich schmerzfrei und zügig ein paar Minuten mitgezogen wurde.

 

Am späteren Nachmittag war klar, dass ich aufgrund von Schmerzen und sonstigen Verzögerungen mein Tagesziel nie und nimmer erreichen würde. Also verliess ich bei Sonnenuntergang die Strasse und suchte mir einen günstigen Ort, wo ich mein Zelt aufbauen konnte. Es wurde blitzartig dunkel, und so musste ich mich beeilen beim Nachtessen und Aufbauen meines Nachtlagers. Nach erneutem Nachführen des Berichts kroch ich dann in meinen Schlafsack und hoffte, dass meine erste Wildcampnacht in Afrika komplikationslos ablaufen würde.

 

Tag 17

 

Nach mässig tiefem Schlaf auf dem harten sandigen Boden wachte ich um 5:20 auf. Es war schon am hell werden also kroch ich aus dem Zelt.

Um 7:00 war dann alles wieder verstaut und die Fahrt konnte weiter gehen. Die Knieschmerzen waren aushaltbar und so erreichte ich schon bald den grösseren Ort Mpika. Endlich konnte ich mal wieder meine Essens- und Getränkereserven auffüllen. Bei einer Bank wechselte ich dann noch 170 US-Dollar in 3‘562 Sambische Kwacha (1 USD = 21 KWA) Langsam ging mir eben das lokale Geld, welches ich noch von der Grenze hatte, aus. Es war schon fast Mittag, als es dann weiter ging in Richtung Süden. Nichts Weltbewegendes passierte mehr. Es war schon fast langweilig. Auch die Vegetation war schon seit einer gefühlten Ewigkeit immer die gleiche nämlich Baumsavanne, was so viel bedeutet wie Bäume und Sträucher, die auf einer Art Wiese mal dichter und mal weniger dicht herum stehen. Die Knieschmerzen hielten sich auf einem stabilen Niveau. Sie wurden nicht schlimmer aber auch nicht besser. Ich schätzte die Chance für die Weiterführung der Tour ab Lusaka auf weniger als 50% ein, denn so konnte ich wirklich nicht wochenlang fahren.

 

Der Ort, welchen ich für eine Übernachtung angesteuert hatte, stellte sich als unbrauchbar heraus, denn er bestand nur aus wenigen windschiefen Bretterhäuser und ein paar Hütten mit Strohdächern. So musste ich halt schon wieder auf mein Zelt zurückgreifen.

 

Tag 18

 

Nach einer erholsamen Nacht erfreute ich mich am Morgen beim Abbauen des Zeltes an einem Baby-Chamäleon. So herzig.

Die Freude an den lokalen Tieren währte aber nicht lange. Bei meinen Knieübungen setzte ich mich nämlich ausversehen gleich neben einen Bau von Roten Ameisen. Bis ich die unglückliche Lage bemerkte, war es leider schon zu spät. Überall an meinem Körper juckte, schmerzte und krabbelte es. Mühsam. Zudem fing es kurz bevor ich wieder abfahrbereit war noch an zu regnen. Nicht der beste Tagesstart. Doch nach einer Stunde Fahrt war dann auch die letzte Ameise von meinem Körper entfernt oder tot und die Wolken waren weiter gezogen.

 

So fuhr ich also langsam aber stetig in Richtung Südwesten auf der Bundesstrasse T2. Langsam hatte ich es raus, wie ich mein links Knie ohne zu viel Schmerz benutzen konnte. Ich durfte mit dem linken Bein nur ziehen und nicht drücken so ging es. Hier war ich froh um meine Klickpedale, welche solch ein Fahren überhaupt ermöglichen. Am Nachmittag sah ich dann am Strassenrand eine Schlange.

Kurz darauf kamen zwei junge Herren auf ihren Fahrrädern daher. Auch Sie waren auf die Schlange aufmerksam geworden. Als ich fragte, ob die Schlange gefährlich sei, meinten Sie, dass mit dieser Schlange nicht zu spassen sei und dass ein Biss lebensgefährlich wäre. Aus diesem Grund holte der jüngere der beiden Brüder einen Ast und tötete die Schlange. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Entweder Bedauern mit dem armen Tier oder Erleichterung, «gut, dass nun niemand mehr zu Schaden kommen konnte». Ich war nur froh, dass ich bei meinen beiden Nächten im Busch keiner solchen Schlange begegnet war. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich in der Dämmerung beim Zeltaufbauen aus Versehen auf so ein Ding drauf gestanden wäre.

 

Ich war noch keine Stunde unterwegs, da traf ich wieder zwei junge Männer auf ihren Fahrrädern. Mit ihren blauen Arbeitsanzügen kamen Sie mir entgegen. Sie stoppten und wir kamen ins Gespräch. Bald kam ihrerseits die Frage, wie viel denn mein Fahrrad gekostet habe. Ich wollte nicht gleich damit herausrücken und so liess ich Sie zuerst einmal raten. Nach genauer Inspektion meinte dann der eine «200 USD» und der andere «250 - 300 USD». Natürlich konnten Sie es kaum glauben, als ich den wahren Preis von ca. 3‘000 USD offen legte. Nun war ich am Zug mit Fragen und da sie nun schon mal eine Frage bezüglich Geld gestellt hatten, stellte ich eine ebensolche Frage. So wollte ich wissen, was sie arbeiteten und wie viel sie verdienen würden. Ich erfuhr, dass die beiden in einer Metallverarbeitungsfirma tätig waren und pro Tag 100 Kwacha respektive knapp 5 USD erhielten. Schon krass wenig. Nach der Verabschiedung und Glückwünsche für meine Reise ihrerseits erreichte ich schon bald Serenje. Ganz unerwartet befand sich dort eine relativ komfortable Lodge. Genau dies brauchte ich nach diesen zwei harten Nächten im Zelt. Gerne bezahlte ich ein bisschen mehr für diesen Luxus. Umgerechnet 20 USD muss ich für das geräumige Zimmer hinblättern. Nicht viel für Schweizer-Verhältnisse. Auch hier gab es mal wieder nur das Eine nämlich Reis und Beilage. Und so ging auch dieser Tag zu Ende.

 

Tag 19

 

Nach Toast und 3 Eiern startete ich dann um 7:00. Das Wetter war wieder standardmässig - bewölkt mit zwischendurch sonnigen Abschnitten und ca. 24 Grad - ein angenehmes Fahrwetter. Die Vegetation blieb ebenfalls unverändert und so war es schon fast ein wenig langweilig. Als ich um die Mittagszeit in einen kleinen Ort kam, kaufte ich mir für 5 Kwacha also umgerechnet 20 Rappen 5 Stück von einem Gebäck. Dies war wahrscheinlich der günstigste Zmittag, welchen ich je zu mir genommen hatte.

 

Ich staunte wie gut ich voran gekommen war und stellte fest, dass es theoretisch möglich wäre den noch 100 Kilometer entfernten nächst grösseren Ort zu erreichen. Die Lust am Zelten war mir nämlich ein wenig vergangen. Der Entschluss war gefasst und so trat ich in die Pedale so gut es mein Knie zuliess. Dies machte zum Glück mit und ich kam mit motivierender Musik in den Ohren gut voran. Doch nun, da der Körper mal wieder einigermassen gut zu funktionieren schien, machte mein Velo wieder Schwierigkeiten. Mein Problemrad schien nämlich je länger je mehr ausser Form zu geraten. Fast stündlich wurde es schlimmer. Beim Sitzen im Sattel bemerkte ich jede Umdrehung des Rades. Gar nicht gut. So nahm ich mir vor, das Velo, sobald ich die Millionenstadt Lusaka erreichen würde, in den Service zu bringen und hoffte, dass mein Gefährt noch so lange durchhalten würde. Um 19:35 hatte ich es dann endlich geschafft. Erschöpft betrat ich die erstbeste Lodge in Kapiri Mposhi. Fast 200 Kilometer hatte ich geschafft, und Lusaka war mit einer Entfernung von nur noch 205 Kilometern ein gutes Stück näher gekommen. Ich schreibe jetzt nicht, was ich zum Znacht bekommen habe, denn dies sollte inzwischen selbsterklärend sein.

 

Tag 20

 

Nach einem stärkenden Frühstück mit Toast und Ei ging es an diesem Tag erst um 8:00 los. Ich hatte wirklich keinen Stress, denn mein gebuchter 5-Sterne Palast in Lusaka musste erst am Folgetag erreicht werden. So tuckerte ich gemütlich weiter auf der Strasse T2.

 

Ich wusste nicht, wo plötzlich all der Verkehr her kam. Alle par Sekunden wurde ich von Autos, Bussen oder LKWs überholt. Der Lärm störte ein wenig, aber wenigstens brachten die Lastwagen mit ihren waghalsigen Überholmanövern immer eine Welle Rückenwind mit sich, was sich sehr positiv auf mein Vorankommen auswirkte. Ich merkte langsam, wie ich wieder in die Zivilisation kam. Die Strohdachhütten wurden langsam durch normale Häuser ersetzt, die Orte an der Strasse wurden immer grösser und fortschrittlicher und auch das Virus schien wieder ein Thema zu sein. Am Mittag konnte ich somit mal wieder seit langen in so etwas wie einem Restaurant essen.

 

Nach dem Mittagessen erblickte ich dann am Strassenrand so etwas wie ein Fahrradshop. Da dieser relativ seriös aussah und mein Problem auch schon relativ dringend war, machte ich kehrt und parkierte mein Velo vor dem Shop. Natürlich meinten Sie, „Yes, we can fix it“. Ich war da mal wieder nicht so sicher, aber es zu versuchen, konnte ja nicht schaden, und so montierte ich zum X-ten mal die Taschen ab, und mein Velo stand schon bald wieder verkehrt herum auf dem Boden. Als ich dies mal wieder festhielt, dachte ich mir, dass ich in letzter Zeit fast mehr Fotos mit dem Velo auf dem Kopf gemacht hatte als normal. Dies durfte ja schon nicht sein, gopferdeckel! Der Handwerker schraubte und drehte am Rad herum und nach knapp 15 Minuten meinte er, dass es wieder einigermassen gut sein sollte. Schlauch und Reifen waren bald wieder montiert, und die Luft wurde wieder hinein gelassen. Doch als ich am Rad drehte, war ich mit dem Resultat gar nicht zufrieden. Es war keine Meile besser geworden als zuvor. Zudem hatte er irgendetwas mit meiner Scheibenbremse angestellt, denn diese schien das Rad nun beim Drehen zu stören. Selbst ihm war klar, dass so kein Geld fliessen würde, und so wurde das Rad erneut demontiert und nochmals neu geeicht - diesmal gründlicher.

Über eine halbe Stunde gab er sein Bestes bis er schliesslich zum Schluss kam, dass ich teilweise neue Speichen bräuchte, welche sie hier aber nicht hätten. Über 2 Stunden hatte ich hier versäumt für gar nichts. Einzig meine Kette konnte erfolgreich gewechselt werden. Währenddessen hatte ich noch mit dem Chef gesprochen, welcher mir ein paar Tipps gab bezüglich Velomech und Corona in Lusaka. Zudem erzählte er mir, dass vor nicht allzu langer Zeit ein Velofahrer, welcher von Kapstadt in Richtung Nairobi unterwegs war in der Nähe von Mpika campiert habe (wie ich auch). Dieser sei dann von einer schwarzen Mamba gebissen worden - ihm war natürlich nicht mehr zu helfen gewesen... Diese Story nahm mir die Lust am Zelten definitiv! - Am Ende des Services bezahlte ich nach langem Herumstehen widerwillig die 100 verlangten Kwacha und fuhr um 14:35 endlich wieder weiter.

 

Durch die lange Pause hatte ich wieder Energie um kräftig in die Pedale zu treten. Auch der starke Verkehr unterstützte stets mein Vorankommen. Es waren zwar keine schönen Kilometer aber wenigstens effiziente. Beim letzten Tageslicht erreichte ich dann nach 150 Kilometern eine Unterkunft und nicht irgendeine! Eine äusserst gediegene, grosse Lodge mit Chalets und Hütten auf dem Gelände. Sogar der Präsident von Sambia selbst hatte schon hier in einem der besten Zimmer genächtigt, erzählte man mir stolz. Wlan und warmes Wasser waren aber nicht das Highlight. Ich konnte es gar nicht glauben, als ich die Speisekarte des hauseigenen Gartenrestaurants studierte. Hier gab es alles! Ich bestellte Burger und Pommes. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie gut mir die Speise bekam nach all diesen Wochen, wo ich nie etwas richtig Gutes bekommen hatte. Nach dem Aktualisieren des Berichts begab ich mich dann wieder in mein Zimmer, in welchem ich dann schon bald fest und tief schlief.

 

Tag 21

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück, bei dem es mir sogar möglich war, eine heisse Schokolade zu bestellen, ging es dann auf die letzten Kilometer nach Lusaka. Es waren nochmals mühsame Kilometer mit all dem Verkehr und auch die hohen Kilometerzahlen der letzten Tage waren in meinem linken Knie zu spüren. Doch es war ja zum Glück nicht mehr so weit. Um 10:30 war ich dann also vor den Toren dieser Grossstadt mit 1.7 Millionen Einwohnern.

 

Ich fuhr aber nicht südwärts ins Stadtzentrum hinein, sondern Richtung Osten. Ich navigierte den East-Park an - das grösste Shopping-Center von ganz Sambia. Man hatte mir gestern im Fahrrad-Shop erklärt, dass es dort einen sehr guten Velomech gebe, welcher bestimmt die speziellen Speichen meines Velos austauschen könne. Ich wurde nicht enttäuscht. Das Shopping-Center war wirklich riesig. So etwas gab es nicht einmal in der Schweiz. Von einem Mitarbeiter wurde ich dann zum richtigen Laden begleitet. Dort angekommen, war ich zuversichtlich, dass die Behebung des Problems hier klappen musste. Ich liess das Velo für den Service dort und machte mich auf den Weg, um noch ein paar andere Sachen zu besorgen.

 

Der Supermarkt hatte es mir wirklich angetan. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass es so etwas in Afrika überhaupt überhaupt gibt - aber tatsächlich. Ich betrat einen riesigen Supermarkt, in dem sich Regale an Regale reihten. Es sei der grösste und beste in ganz Sambia hatte man mir gesagt, und ich glaubte dies sofort. Hier konnte ich nun also nochmals wichtige Esswaren beschaffen, welche ich für die verbleibenden 1900 Kilometer brauchen würde. Ich kaufte italienische Tomatensaucen, Oreos, Nüsse und Dutzende Riegel. Knapp 30 Dollar kostete der Spass, aber meine Visa-Karte konnte dies gut verkraften. Als ich dann wieder zurück war bei meinem Velo und dem restlichen Gepäck, erklärte man mir, dass man zwar das Beste probiert habe, um die runde Form des Rades wieder herzustellen, es aber nicht möglich wäre, irgendwelche Speichen auszutauschen, da sie keine dieser Speichen hätten. Der Mech meinte aber, dass ich es trotz dieses Problems nach Windhoek schaffen könne. Alles, was ich tun konnte, war zu hoffen, dass er Recht hatte. In einem Café beim Eingang gönnte ich mir dann seit langem mal wieder zwei Kugeln Glace. Es war so köstlich, dass ich gleich nochmal eine Portion nachbestellte.

Um 13:30 machte ich mich dann langsam auf den Weg zum Hotel, bei dem ich ab 14:00 einchecken durfte. Pünktlich war ich dort. Ich wurde nicht enttäuscht. Schon seit Tagen hatte ich mich auf diesen 5-Sterne-Palast gefreut, und nun war ich endlich dort. Nach ein paar stichfesten Argumenten durfte ich dann auch mein Velo hoch in mein Zimmer nehmen.

Telefonisch bestellte ich dann jemanden ins Zimmer, um meine schmutzigen Kleider für den Wäsche-Service abzuholen.

 

Kurz darauf sass ich in einem Taxi in Richtung eines Hospitals, um einen Corona-Test für meine Weiterreise zu machen. Alles schien wie am Schnürchen zu laufen. Doch als wir beim Gesundheitszentrum eintrafen, sagte man mir, dass schon alle Tests aufgebraucht seien und erst am nächsten Morgen neue kämen. Dies war eher suboptimal, und so fuhren wir weiter zum Victoria Hospital einem gemäss Hotel sehr seriösen, aber auch dementsprechend kostspieligen Anbieter. Nach weiteren 5 Minuten Taxifahrt waren wir dann dort. Unglücklicherweise konnten auch dort schon seit Mittag keine Tests mehr gemacht werden, aber wenigstens konnte ich mich noch in eine Liste eintragen lassen, um einen der 60 Tests des Folgetags für mich reservieren zu können. So ging es dann wieder zurück zum Hotel. Der Spass mit dem Taxi hatte mich fast 20 USD gekostet. Nicht gerade wenig. Zurück im Zimmer erstellte ich dann mein Gepäckstück neu. Alles wurde ausgeräumt, wenn nötig getrocknet, neu geordnet und danach wieder in die sauberen Taschen eingepackt. Dabei kam noch etwas zum Vorschein, was ich schon lange vermisst hatte, nämlich der Löffel. Es war schon dunkel, als ich mich dann ins hauseigene Restaurant begab. Die Speise war erneut Spitzenklasse und auch der Preis für das Getränk, die beiden Glace-Kugeln und den Burger mit Pommes war mit 15 USD ebenfalls spitzenmässig. Mit einem Fernsehabend liess ich diesen gemütlichen Tag noch ausklingen.

 

Tag 22

 

Um 6:00 sass ich schon auf meinem Velo. Es ging 5 Kilometer nordwärts in Richtung Victoria Hospital. Es war noch nicht viel los auf den Strassen. Zudem war es mal wirklich entspannend ohne all mein Gepäck unterwegs zu sein. Schon um 6:15 traf ich beim Spital ein. Die Testung solle gemäss gestrigen Angaben zwar erst um 8:00 starten, aber ich wollte der Erste sein. Ein Tischchen wurde schnell gefunden und so konnte ich dank der mitgenommenen Tastatur die Zeit gut nutzen.

Ab 7:30 kamen dann die meisten restlichen Leute und um 8:00 waren schon fast 50 Personen am Warten. Mein Plan ging auf. Tatsächlich wurden um 8:05 meine Daten im Computer eingetragen und 10 Minuten später war schon der Test. Es war zwar unangenehm, aber wenigstens war ich als erster an der Reihe. Das Zertifikat könne ich am Folgetag um 18:00 abholen. Eigentlich hätte es für diesen horrenden Preis von 2‘500 Kwacha (also umgerechnet 100 CHF) möglich sein sollen, mir das Dokument per Mail zuzustellen, doch es ging nicht. Es war ja klar, dass ich nicht so lange in Lusaka auf das Zertifikat warten konnte, und so musste ich mir überlegen, wer mir dieses Zertifikat schicken könnte, wenn das Hospital nicht dazu in der Lage war. Zufälligerweise war eine Familie aus den USA ebenfalls schon so früh am Warten und ich dachte, dass sie für diesen Job infrage käme. Ich ging also hin und fragte und sie willigten ein. So klärte ich mit dem Spital noch ab, was ich tun musste, damit dieser Familie mein Zertifikat ausgehändigt werden konnte, erstellte ein entsprechendes Bestätigungsschreiben und übergab meine Quittung samt Handynummer an Cecilia M. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass alles klappen würde!

 

Um 9:00 sass ich dann schon beim Frühstück in meinem edlen Palast. Es war köstlich: Frische Früchte, heisse Schokolade, Müesli mit Milch, Orangensaft und Toast mit Butter und Konfitüre. Ich hatte eigentlich gar keine Lust mehr wieder in die Rudimentarität zurück zu kehren, aber ich hatte ja noch 2 Wochen Ferien und so konnte ich jetzt nicht einfach von Lusaka nach Hause fliegen. Als ich dann wieder in mein Zimmer war, kamen dann meine zur Wäsche aufgegebenen Kleider wieder zurück, nachdem ich mich danach erkundigt hatte. In einem kleinen Korb wurden Sie mir auf mein Zimmer gebracht. Es war nicht zu glauben. Die am Vortag noch feuchten, stinkenden und dreckigen Kleider befanden sich nun gebügelt, fein säuberlich zusammen gelegt und noch leicht warm und fein duftend in diesem Korb. Top-Service. Beim Check-Out kam dann auch ans Licht wie teuer dieser Service war: knapp 40 USD. Aber dies war es trotzdem Wert gewesen. Bedienstete vom Hotel trugen mir dann noch mein Gepäck zum Velo und nach guten Weiterreise-Wünschen war ich dann kurz vor 11:00 Uhr wieder zurück auf der Tour.

 

Doch ich war keine 5 Minuten unterwegs, da schien mein Vorderrad plötzlich Luft zu verlieren und wenig später war auch schon der Reifen platt. Zum Glück war schnell jemand gefunden, der mir ein wenig Wasser zur Verfügung stellte, damit ich das Loch im Schlauch finden konnte.

Um 12:00 war der Platten Nummer 4 auch schon wieder geflickt und die Fahrt konnte endlich richtig starten. Die Landschaft wurde zur Abwechslung ein wenig hügelig und die Strasse war neu asphaltiert. Glücklicherweise konnte ich mich mal wieder für ein paar Kilometer an einem alten Lastwagen dranhängen, sodass ich mein schmerzendes linkes Knie ein wenig entlasten konnte. Zeitlich perfekt erreichte ich kurz vor Einbruch der Nacht Mazabuka, wo ich dann relativ zügig eine Lodge fand. Nach passabler Speise ging es dann auch schon ins Bett.

 

Tag 23

 

Nach 4 Eiern, 4 Stück Toast und ein wenig Bohnen war ich dann schon wieder zurück auf der T1. Die T2, welche in Richtung Südafrika führt, hatte ich am Vortag verlassen und somit war auch ein grosser Teil des Schwerverkehrs weg gefallen. So gestaltete sich das Fahren relativ angenehm. Nichts Spannendes passierte, und so tuckerte ich langsam aber stetig in Richtung Südwesten. Nur etwas möchte ich noch erwähnen. Ich sah auch an diesem Tag wieder dutzende Männer, welche von Hand mit ihren Messern das Gras an den Strassenrändern kürzten. Dies musste total mühsam und anstrengend sein, und auch die Bezahlung mit 5 Kwacha die Stunde war unterirdisch.

 

Als ich schon fast beim Zielort war passierte, was eigentlich schon längst hätte passieren müssen. Dadurch, dass mein Rad schon eine Ei-Form hatte, waren natürlich die einen Speichen unter Hochspannung, während die anderen schon fast lose waren. So war es kein Wunder, dass eine der Speichen, welche unter Hochspannung stand, riss. Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit mir. Zudem war ich am Ende meiner Problemlösungsfähigkeiten. Ich hatte mein Bestmögliches probiert, das Rad irgendwo flicken zu lassen. So traf ich also eine Entscheidung: Wenn nochmals 2 also total 3 Speichen den Geist aufgeben würden, würde ich per Lastwagenstopp nach Livingstone fahren und wenn dort niemand mein Velo würde flicken können, so würde ich es noch ein letztes Mal bei der namibischen Grenzstadt Katima Mulilo versuchen und sonst von dort ein Flugzeug nach Windhoek nehmen. So kam ich also, trotz guter Tagesleistung von 160 Kilometern, demotiviert in Choma an. Während ich dann wenig später eine gewöhnungsbedürftige Pizza ass, geschah aber noch etwas Erfreuliches, denn die liebe Cecilia M., hatte mir das negative PCR-Test-Zertifikat per Whatsapp geschickt. So dürfte wenigstens die Einreise nach Namibia klappen. Nach Einnahme des Malaria-Medikaments und dem Nachführen des Berichts ging auch schon diese 3. Touren-Woche zuende.

 

Tag 24

 

Schon um 4:50 fuhr ich in die schwarze Nacht hinaus, da ich es ja heute bis ins fast 200 Kilometer entfernte Livingstone schaffen wollte. Zwar standen die Chancen nicht gut, aber probieren geht ja schliesslich über studieren. Mit Musik in den Ohren kam ich relativ gut voran und bald dämmerte es auch schon. Die Frage war nicht, ob eine nächste Speiche ausreissen würde, sondern wann. So fuhr ich also mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich wahrscheinlich schon bald in einem LKW sitzend meine Reise fortsetzen müsste.

 

Dann schoss mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf, welcher mich nochmals neu motivierte. Wenn in Sambia niemand mein Rad flicken konnte, hiess das nicht, dass niemand mein Rad flicken konnte. In Südafrika, beispielsweise in Kapstadt, würde bestimmt jemand mein Rad flicken können. Ich wusste, dass von Livingstone aus jeweils dienstags und sonntags eine Maschine nach Kapstadt fliegt und heute war ja Montag. Ein Covid-Zertifikat hatte ich ja sogar auch in der Tasche. So müsste ich an diesem Abend einfach noch abklären, ob wirklich niemand in Livingstone mein Velo flicken konnte. Dies hiess, dass ein möglichst frühes Ankommen in der Stadt nahe der Viktoriafälle von Vorteil wäre.

 

Also trat ich in die Pedale. Tunnelblick. Musik in den Ohren. Angetrieben von dem Gedanken, dass ich am Folgetag entweder bei den Viktoriafällen oder dann in einem Flugzeug sein würde. Das Rad wurde je länger desto schlimmer. Jetzt spürte ich nicht einfach mehr die Umdrehungen - nein, jetzt gab es bei jeder Umdrehung einen kleinen Schlag. So machte es wirklich keinen Spass. Zudem hatte ich wieder das Gepäck umgeladen, um das Hinterrad zu entlasten, was das Fahren ebenfalls nochmals mühsamer machte. Ich liess mich aber nicht beirren und gab alles. Auch von den über mich herziehenden Regenwolken liess ich mich nicht bremsen. Das Gelände fiel in der Tendenz und auch windtechnisch waren die Bedingungen nicht schlecht. So kam ich unerwartet gut voran. Ich hätte es zu Beginn des Tages nie für möglich gehalten, aber nach rekordverdächtigen 10 Stunden und 20 Minuten erreichte ich nach 195 Kilometen Livingstone. Ich am Ende meiner Kräfte, ebenso mein Velo am Ende seiner Kräfte und mein Knie am Ende seiner Kapazität.

 

Nachdem ich in der Unterkunft eingecheckt hatte, machte ich mich sofort auf den Weg zum angegebenen Laden. Dort angekommen war sofort klar, dass mir hier niemand das Problem lösen konnte. Aber zu meiner Überraschung meinten Sie, dass es möglich sei, die speziellen 27 Zoll Speichen zu beschaffen. Und so war mein Velo mal wieder im Service.

Fast 2 Stunden ging das Herumgebastel. Der Mechaniker fuhr mit meinem Velo zwischenzeitlich sogar mal selbst noch zu einem Kollegen, um dort noch etwas zu richten. Bei der anschliessenden Probefahrt war ich zwar nicht zu 100% überzeugt, aber es war schon besser als zuvor. Die kaputte Speiche konnte erneuert werden und eine weitere wurde noch ersetzt. Nicht schlechte Arbeit. Der geforderte Betrag war auch dementsprechend hoch. Nur ungern bezahlte ich die geforderten 20 USD.

Da Livingstone wegen den Victoriafällen normalerweise touristisch ist, hatte ich keine Probleme ein gutes Restaurant zu finden. Bei einer heissen Schokolade liess ich dann diesen erfolgreichen Tag noch ausklingen.

 

Tag 25

 

Kurz nach dem Frühstück sass ich bereits in einem Taxi in Richtung Victoriafälle. Bei Ankunft erweckten zuerst Affen meine Aufmerksamkeit. Sie kletterten nämlich auf den wartenden Lastwagen herum, als wären es Bäume. Nach den bezahlten 20 USD wurden wir dann eingelassen. Der Taxifahrer kam gleich mit als Führer und Fotograf. Dieser riesige fast 100 Meter hohe und 1.7 Km lange Wasserfall war wirklich eindrücklich! Millionen von Liter Wasser stürzten tosend in die Tiefe und das aufgewirbelte Wasser regnete teilweise sogar auf uns nieder.

Wegen der frühen Stunde, dem grauen Wetter und dem Virus waren wir so gut wie alleine. Normalerweise wimmle es hier von Touristen, erklärte mir der Taxi-Fahrer. Weiter ging die Führung hinunter an den Zambesi River, wo das Wasser nach dem Fall wieder seine Ruhe fand. Darüber thronte die massive Grenzübergangs-Brücke welche nach Simbabwe führt.

Von dieser Brücke aus sei es für 135 USD möglich einen Bunge-Jump zu machen. Unglaublich, dass man sich so etwas antut für so viel Geld. Beim Rückweg zum Taxi ging mir aber die Brücke nicht mehr aus dem Kopf. „Es wäre schon ein Erlebnis und einmal im Leben muss man so etwas doch mal machen, egal was es kostet“, dachte ich mir. „Doch andererseits - sind es die 135 USD wirklich wert? Eigentlich nicht.“ Doch ich entschied mich schliesslich dennoch dafür. Da ich den sambischen Zoll passieren musste, um auf die Brücke zu gelangen, wurde ich aufgefordert meinen Pass abzugeben. Nur wenig später wurde ich von ein paar Männern auf den Sprung vorbereitet. Ich hatte zuvor mal einen Blick von der Brücke gewagt. 133 Meter ging es in die Tiefe. Der Gedanke, dass ich gleich kopfvoraus von der Brücke stürzen würde, versetzte meinen ganzen Körper in ein leichtes Zittern. Doch die fette Summe war bezahlt, und ich konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Ein Handtuch wurde um jede Wade gewickelt und dort wurde dann auch das Seil befestigt. Zusätzlich hatte ich noch ein Ganzkörper-Gstältli an als Notfallsicherung. Dann war es soweit. Ich stand auf der Absprung-Plattform 133 Meter über dem Zambesi-River.

Keine 10 Sekunden stand ich dort, da fingen die beiden Männer links und rechts von mir schon an zu zählen: „five, four, tree, two, one, jump. Ich sprang. Ich flog durch die Luft, respektive fiel kopfüber wie ein Stein hinunter in Richtung Fluss.

Ich schrie wie am Spiess. Mein Herz setzte aus und ich dachte, mein letztes Stündchen hätte geschlagen. Nach etwa 100 Metern freiem Fall griff dann das Seil, der Sturz wurde abgefedert und ich wurde wieder hoch in die Lüfte katapultiert. Ich wusste nicht wie‘s um mich geschah, da fiel ich schon wieder. Bald kam ich dann zum Stillstand und hing irgendwo über der Schlucht am Seil. Ich wurde aber zum Glück bald aus meiner misslichen Lage befreit und wieder zur Brücke hoch gezogen. Es war geschafft! Der Fahrer, welcher sogar noch zum Kameramann wurde während meines Sprungs, verlangte dann faire 350 Kwacha für den ganzen Morgen und setzte mich um 12:30 bei einem Restaurant wieder ab.

Nach der Stärkung und einem zügigen Einkauf sass ich schon bald wieder im Sattel. Die Bedingungen waren perfekt. Mein Hinterrad lief wieder relativ gut, das Wetter war sonnig und schön warm, der meiste Verkehr hatte sich Richtung Simbabwe abgesetzt, die Knieschmerzen fast auf Null und eine leichte Brise rundete das zügige Vorankommen noch ab. So war es erst wenig nach 17 Uhr, als ich mich kurz vor dem Grenzort Kazungula zwischen Sambia und Botsuana befand.

 

Ein Velofahrer kam mir auf meiner linken Spur entgegen. Da ich ihn nicht unbedingt tuschieren wollte, hielt ich rechts zur Mitte der Strasse. Er tat aber dasselbe. Ich war fest entschlossen rechts an ihm vorbei zu fahren und so hielt ich rechts. Er schien den selben Plan zu haben und so riss ich im letzten Moment den Lenker nach links. Doch es war schon zu spät. Wir prallten frontal ineinander. Gopferdeckel. Musste das sein, so kurz vor dem Ziel? Mich katapultierte es über den Lenker. Glücklicherweise landete ich auf den Füssen. Sofort schaute ich zurück. Es bot sich mir kein schöner Anblick. Zwei Velos inmitten der Strasse, eines davon mit einem komplett kaputten Vorderrad, eine rote Tasche lag auch noch irgendwo auf der Fahrbahn und dahinter sass der dunkle Mann, welcher verletzt zu sein schien.

Sofort eilte ich zu ihm. Er hatte sich eine relativ üble Fleischwunde am Knöchel zugezogen und ein paar Schürfungen am Bein. Nachdem die Sachen vom Asphalt weggeräumt waren, verarztete ich den zu Schaden gekommenen Herr mit zittrigen Fingern notdürftig. Dabei merkte ich, dass ich an den Fingern ebenfalls blutete. Schon waren mehrere Leute stehen geblieben und verfolgten das Ganze. Der Schmerz meines Gegenüber verwandelte sich schon bald in Ärger. Das Benzin auf seinem Gepäckträger war ausgelaufen, das Vorderrad war hin und sein Fuss war verletzt. Irgendjemand musste das bezahlen. Ich packte zuerst mal die Verbandssachen wieder ein und kontrollierte mein eigenes Velo auf irgendwelche Schäden. Ausser der verbogenen Bremse und dem platten Hinterreifen schien aber zum Glück auf den ersten Blick alles in Ordnung. Die rechte Vorderradtasche, in welcher grösstenteils Kleider verstaut waren, hatte den Aufprall abgedämpft. Ich hatte nochmals Glück im Unglück gehabt. Die Diskussion, wie viel ich bezahlen müsste war schon fast abgeschlossen, als ein sambisches Polizeiauto vorbei fuhr. Sie realisierten, was Sache war und stellten ihren Wagen seitlich der Strasse ab.

Die 5 Polizisten stiegen aus. Sie kamen auf uns zu und fragten was passiert sei. So schilderten wir beide aus unserer Sicht den Unfallhergang. Sogar die Passanten wurden noch zu den Geschehnissen befragt. Mir gefiel das Ganze je länger je weniger. Hätte ich doch dem Mann die 30/40 USD gegeben und alles wäre in Butter gewesen, nun aber mit der Polizei schien ich in deutlich grösseren Schwierigkeiten zu stecken. Zudem war ich Ausländer und bezweifelte, dass irgendeine Versicherung in der Schweiz hier in diesem Fall etwas bezahlen würde. Ich wurde von einem der 5 Polizisten gefragt, wer denn in meinen Augen Schuld sei. Ich entgegnete „both were wrong“. Auch wurde gefragt, ob mein Handy, welches ich in der Hand hatte, angestellt sei. Glücklicherweise konnte ich mit einem Klick meine Komoot-Karte öffnen und konnte die heimlich gemachten Dokumentationsfotos verbergen.

Nach längeren Diskussionen zwischen den Polizisten, welche ich nicht verstand, schien dann eine Lösung gefunden. Sie sprachen zwar in der Bemba-Sprache, aber ich konnte das Wichtigste heraus interpretieren: Der Ursprung des Unfalls lag darin, dass der andere Velofahrer auf der rechten Spur unterwegs gewesen war. In Sambia herrscht aber Linksverkehr und so war er auf der falschen Spur unterwegs. Mein Ausweichmanöver war zwar schlecht und auch falsch gewesen, aber trotzdem traf mich nicht die Hauptschuld für den Unfall. Niedergeschlagen humpelte der andere Velofahrer zum Auto von irgendwelchen Abholern. Er stieg ein und sie machten sich auf den Weg zu einer Klinik wegen dem Fuss. Der arme Tropf tat mir schon Leid, und ich hätte ihm auch den Schaden an seinem Velo gerne bezahlt, aber es ergab sich keine Gelegenheit mehr dazu. Gehen konnte ich aber noch nicht. Eine ganze Weile wartete ich.

Handschriftlich musste ich dann noch alle Angaben zu meiner Person, dem Unfallhergang, den entstandenen Schäden und Verletzungen machen. Nach einer abschliessenden Unterschrift durfte ich endlich gehen. Das war’s. Zum Glück. Es war schon fast dunkel und da ich nur wenige hundert Meter von Kazungula entfernt war, entschied ich mich das Velo zu stossen. Doch als man mir sagte, dass eine Unterkunft erst in 2 Kilometern Entfernung zu finden sein würde, riss ich mein Gepäck vom Velo und drehte es auf den Rücken, um erneut den platten Reifen zu flicken. Nervlich kam ich an meine Grenzen. Es war schon dunkel, als ich fluchend wieder meine Taschen am Velo befestigte. Wenigstens fand ich dann nach wiederholtem Fragen die Herberge. Ein Restaurant hatte es natürlich keines in der Nähe und so musste ich mich halt aus einem Shop in der Nähe verpflegen. Ein mieser gegrillter Maiskolben war dann das einzige Warme, was ich auftreiben konnte. Nach den 3 Flaschen Cola und den 4 Päckchen Chips ging es mir dann schon wieder viel besser. Erschöpft sank ich nach diesem verrückten Tag ins Bett und nicht einmal das Rattern und Knattern des Ventilators konnte mich am Einschlafen hindern.

 

Tag 26

 

Um 3:15 wurde ich von meinem Wecker schon wieder aus dem Schlaf gerissen. Der Plan war möglichst früh die namibische Grenze zu erreichen, um meine Einreise-Chance zu verbessern. Gemäss Angaben der namibischen Botschaft bräuchte ich für die Einreise einen negativen-PCR-Test-Nachweis, welcher nicht älter als 72 Stunden sein sollte. Glücklicherweise war bei der Erstellung meines Zertifikates ein Fehler unterlaufen und das Testdatum wurde mit 10/01 anstatt mit 09/01 angegeben. Die 72 Stunden waren zwar nicht mehr zu schaffen, aber je schneller ich am Grenzposten war umso besser. So trat ich also schon kurz nach 4:00 mächtig in die Pedale. Dabei musste ich feststellen, dass der Sturz von gestern mein Velo mehr in Mitleidenschaft gezogen hatte, als ich zuerst angenommen hatte. Das Rad eierte wieder stark, die Bremsscheibe war verbogen und quietschte so bei jeder Radumdrehung und der Wechsler war verbogen, sodass die Gangschaltung nicht mehr richtig funktionierte. Es war kein wirklich angenehmes Fahren. Ich war froh, als es endlich dämmerte, denn für die Zickzackfahrt, zwischen den immer schlimmer werdenden Schlaglöchern, brauchte ich Tageslicht. Die Strasse wurde immer schlechter, bis sie schliesslich nur noch aus Schlaglöchern bestand - riesige Schlaglöcher bis zu 50 cm Tiefe und mehreren Metern Durchmesser. Ich war fast alleine unterwegs, kein Wunder.

 

Gegen 10:00 schien mein Hinterrad wieder einmal Luft zu verlieren. Auch das noch. So führte ich wieder den ganzen Zirkus durch und wechselte den Schlauch. Die Grenze kam langsam näher. Mit den Ärgernissen noch nicht genug, verlor das Hinterrad erneut Luft. Da sich die ausströmende Luft noch in Grenzen hielt, versuchte ich den nötigen Service mit frequentiertem Pumpen hinaus zu zögern. Anfangs reichte es alle 30 Minuten zu pumpen. Gegen Schluss war es alle 5 Minuten nötig. Äusserst mühsam. Doch um 14:00 nach 10 Stunden Fahrt schob ich mein Velo schliesslich noch die letzten Meter zum Zollgebäude. Den sambische Ausreise-Stempel erhielt ich problemlos. Zwischen den beiden Zollgebäuden wurde mir dann von ein paar jungen Männern noch Geldwechsel angeboten. Nach aggressiven Verhandlungen hatte ich dann die restlichen Kwacha und 50 USD in namibische Dollar gewechselt.

 

Als ich an den namibischen Schalter kam, wurde als erstes, noch vor dem Pass, nach dem Corona-Test Nachweis gefragt. So schob ich also mein Handy unter der Glasscheibe hindurch. Ich hatte es mir ja schon denken können, dass das Zertifikat so nicht akzeptiert wurde und ausgedruckt sein musste. Es hatte nicht mehr viel gefehlt und ich hätte auf meine zu Hause vorbereitete Fälschung zurückgegriffen. Doch schliesslich fand ich jemanden, der mir helfen konnte. Mit den letzten Megabytes des 100-MB-Welt2-Datenpackets konnte ich die Fotos versenden und der Typ konnte diese dann ausdrucken. Zurück am Schalter stand dann ein anderer Zollbeamter vor mir. Der junge Herr war freundlich und nachdem ich ihm die Eckdaten meiner Reise übermittelt hatte, war dann der Stempel schnell im Pass. Erleichterung überkam mich. Der letzte und auch schwierigste Grenzübertritt war geschafft! Nach erneutem Pumpen fuhr ich dann bei leichtem Regen noch die verbleibenden 5 Kilometer bis Katima Mulilo zu einer günstigen Lodge. Es war erst 16:00 und so hatte ich genügend Zeit die kaputten Schläuche wieder zu flicken.

Später zog ich noch Erkundigungen ein über meine kommende Strecke. Ich bekam die Info, dass es möglich sei den Bwabwata Nationalpark mit dem Velo zu durchqueren, aber dass es bis ins 300 Kilometer entfernte Divundu so gut wie keine Möglichkeiten gebe Essen oder Wasser zu kaufen. So ging ich mit dem Velo noch 10 Liter Flüssigkeit kaufen. Als ich wieder zurück fahren wollte, bemerkte ich, dass der Hinterreifen wieder platt war. Es war zum Kotzen! Nach einer guten Speise in einem relativ gediegenen Restaurant schob ich dann das Velo den einen Kilometer zurück zur Unterkunft. Mir war die Lust am Plattenflicken definitiv vergangen, und so entschied ich am morgigen Tag ein Velogeschäft zu suchen und neue Schläuche zu kaufen.

 

Tag 27

 

Am nächsten Morgen um 8:00 hatte ich dann die mir angegebene Adresse des Velogeschäfts gefunden. Namibia schien deutlich entwickelter zu sein, denn auf dem Weg zum besagten Laden hatte es noch viele andere moderne Geschäfte. Der Shop welcher mir empfohlen wurde enttäuschte mich nicht. Er schien nochmals eine Stufe besser zu sein, als derjenige in Lusaka. Der Schlauch könne gewechselt werden und mein Rad würde man sich anschauen und in einer Stunde könne ich das Velo wieder abholen. Perfekt. In der Nähe hatte es gerade eine Shell-Tankstelle, in welcher man auch Pizza essen konnte. Da ich einen Bärenhunger hatte, bestellte ich mir eine grosse Pizza und eine Cola. Nach der mastigen Speise schaute ich dann wieder im Shop vorbei. Sie hatten zwar noch mit Problemen zu kämpfen, doch gemeinsam konnten wir dann das Velo wieder fahrtüchtig machen. Als ich danach mit meinem schwer bepackten Drahtesel den Grenzort Katima-Mulilo verliess, war es schon 11 Uhr. Der letzte 3. Teil meiner Tour war angebrochen. Das Ziel war aber mit einer Entfernung von 1175 Kilometer (was weiter ist als die Entfernung zwischen Egg und beispielsweise Barcelona) immer noch weit weg. Die Fahrt gestaltete sich unspektakulär und wurde am Nachmittag von starkem Regen begleitet. Danach zog noch ein giftiger Gegenwind auf. Ich war froh, als ich dann endlich den kleinen Ort Kongola erreichte. Hier gab es eine Tankstelle und so war es eigentlich unnötig gewesen so viel Wasser mitzutragen. Glücklicherweise gab es in diesem Ort auch ein Guesthouse und da ich erschöpft und müde war, lag ich um 20:00 schon in meinem Bett.

 

Tag 28

 

Schon um 3:40 stand ich auf. Ich hatte Grosses vor. Ich wollte den Bwabwata Nationalpark durchqueren und die nächste 200 Kilometer entfernte Ortschaft Divundu noch am selben Tag erreichen. Nach Erstellung meiner Packung und dem Essen von ein paar Cookies war ich dann auch schon zurück auf der Tour. Um 5:00 erreichte ich dann den Parkeingang, welcher von einem Polizei-Check-Point überwacht wurde. Sie fragten mich, ob es mein Ernst sei, um diese Zeit alleine mit dem Fahrrad in den Park zu wollen. Ich entgegnete, dass ich die nächste Ortschaft beizeiten erreichen wolle. Die beiden Polizisten meinten, dass es Löwen in der Gegend hätte, und es momentan viel zu gefährlich sei. Ich müsse warten bis es hell ist. Knapp eine Stunde wurde ich festgehalten. Dann wurde mir die Weiterfahrt gewährt. Es ging über einen Fluss hinein in den Nationalpark.

Gleich sah ich ein paar Gazellen. Ich dachte, dass nun die Safari beginnen würde. Doch aus der Safari wurde nichts. Es hatte zwar viele Schilder, auf denen man „Achtung Elefanten“ lesen konnte, aber ich sah leider weit und breit keine.

Hier war wirklich Niemandsland. Ganz selten kam ich an ein paar Lehmhütten-Siedlungen vorbei, doch meistens war ich alleine. Auch Verkehr hatte es fast keinen. Nur durchschnittlich alle 5 Minuten kreuzte mich mal ein Fahrzeug. Nun war ich wieder froh um meinen Benzinkocher, denn ich konnte ja nicht die ganze Zeit Guezli und anderen Müll essen. Ich kam nicht schlecht voran, doch langsam zog ein leichter Frontwind auf, welcher mit der Zeit wirklich nervig wurde. Wenigstens konnte ich dank den mitgenommenen Ohrenpax aus der Edelweiss-Business-Class-Geschenkbox das nervige Rauschen ein wenig hinunter dimmen. Schneller wurde ich dadurch aber auch nicht. So war es ein kräftezehrendes, mühsames und auch langweiliges Fahren.

 

Doch dann gegen 15:00 sah ich einen grauen grosser Körper. Doch dieser schwebte leider über mir und öffnete bald alle seine Schleusen. Ein richtiges Unwetter zog über mich hinweg. Das hätte ich nicht auch noch gebraucht. Ich biss aber die Zähne zusammen und kämpfte mich so langsam aber stetig an den Zielort heran. Kurz vor 18:00 gönnte ich mir dann wieder mal eine Nüssli- und Rigel-Pause. Ich sass noch keine Minute, da hielt ein entgegenkommender Toyota. Es wurde mir die Anweisung geben ein bisschen Gas zu geben, da die Löwen bald kämen und Divundu immer noch 30 Kilometer entfernt sei. Mit dieser Information im Hinterkopf gelang es mir nochmals die letzten Energiereserven zu mobilisieren. Der Wind blies auch wieder stärker. Mit lauter Rockmusik in den Ohren trat ich in die Pedalen. Ich kam wirklich an meine körperliche Leistungsgrenze. Doch schliesslich, zu Tode erschöpft, erreichte ich mit dem letzten bisschen Tageslicht den Polizei-Checkpoint, welcher den Ausgang des Parks markierte. Wenig später fand ich nach über 15 Stunden Fahrt und 200 geleisteten Kilometern endlich eine Lodge. Nach einer fetten Pizza fiel ich dann hundemüde ins Bett.

 

Tag 29

 

Nach ausgewogenem Frühstück war ich dann um 9:00 wieder im Sattel. Bevor ich mich wieder in den Schilf manövrierte, kaufte ich in einem kleinen Shop Wasser, Cookies und Schokolade. Dann rollte ich auch schon weiter westwärts im namibischen Korridor zwischen Botsuana im Süden und Angola im Norden. Rollen tönt jetzt ein wenig zu entspannt es war eigentlich eher ein Kämpfen mit dem Gegenwind. Zudem fühlte ich mich überhaupt nicht fit und ich verspürte starke Blähungen. Es kam die Angst auf, dass ich mir wieder irgendwas eingefangen hatte. Um 15:00 wurde der Wind durch Regen abgelöst, was auch nicht markant besser war.

Ein mühsamer Tag. Die mir angegebene Lodge befand sich dann auch noch 3 Kilometer neben der Hauptstrasse und war nur über eine Sandpiste zu erreichen. Als ich die gepflegte Herberge dann endlich erreichte, bekam ich die Info, dass alle Zimmer belegt seien. Auch das noch! 2 Kilometer in östlicher Richtung habe es eine andere Unterkunft. Es war schon fast dunkel und regnete immer noch. Zelten bei diesem Wetter wäre wirklich mies, aber wenn es so weiterginge, die einzige Option. Ich drehte fast am Rad denn die angegebene Ersatz-Unterkunft wollte und wollte nicht kommen. Doch dann, endlich ein Schild und ein verschlossenes Metalltor. Nach ein paar ausgestossenen Schimpfwörtern kletterte ich dann darüber und suchte eine Menschenseele. Die Suche gestaltete sich wegen der Dunkelheit schwierig, aber 30 Minuten später war ich dann in meinem eigenen Häuschen. 6 Betten, eine Küche, ein Badezimmer. Tip top. Da es keine Speise-Möglichkeit gab, kochte ich mir den Reis, welchen ich seit Anfang der Tour mitgeschleppt hatte. Dazu italienische Tomatensauce aus dem grossen Supermarkt in Lusaka. So ging auch dieser Tag zu Ende.

 

 

Tag 30

 

Zum Frühstück kochte ich mir erneut Reis mit Tomatensauce. Bald schon ging es weiter mit der Tour. Erst nach 30-minütiger Fahrt war ich wieder am Ausgangsort angekommen, von dem ich am Vortag abgebogen war. Die eigentliche Fahrt konnte beginnen. Es waren nur noch 76 Kilometer zum geplanten Übernachtungsort Rundu. Da ich ausser Reis, Haferflocken und Mais nichts mehr an Esswaren hatte, musste ich Zwei Mal kochen, um die kleine Stadt erfolgreich anzusteuern. Um 14:30 war ich dann wieder in der Zivilisation. Bald checkte ich in eine Lodge ein. Eine teure Unterkunft, aber auch eine gediegene, wie sich herausstellte. Ich tätigte noch ein paar Einkäufe und ging noch Geld abheben. Da ich Angst hatte bald die Monatslimite meiner Visa-Karte zu erreichen, probierte ich es mal mit der Postkarte. Nie hätte ich es gedacht, aber die 1500 Namibischen Dollar liessen sich problemlos abheben. Schon früh sass ich im hauseigenen Restaurant und aktualisierte zwischen den servierten Speisen des delikaten 3-Gang-Menüs diesen Bericht. Mit umgerechnet 18 USD war dies die teuerste Mahlzeit auf meiner Reise. So nahm auch die 4. Woche schon ein Ende.

 

Tag 31

 

Nach grossem englischem Frühstück ging es dann weiter. Noch keinen Kilometer war ich gefahren, da bog ein entgegenkommendes Auto rechts ab und kreuzte so meine Spur. Ich zog sofort die Bremsen. Nur wenige Zentimeter vor dem einfach weiterfahrenden Kleinwagen kam ich zum Stehen. Nochmals Glück gehabt!

 

Mit den gut gefüllten Taschen radelte ich also in südwestliche Richtung. Das GPS gab mal noch die Anweisung, dass ich in 128 Kilometer rechts halten sollte. Der Wind blies nun nicht mehr oder zumindest nicht mehr von vorne und mit Musik in den Ohren, war es ein angenehmes Fahren. Gegen 10:00 tätigte ich noch einen Anruf ins Lufthansa-Callcenter in Südafrika. Nach mehreren Versuchen hatte ich dann endlich jemanden in der Leitung. So konnte ich das spezielle Gepäckstück für den baldigen Flug registrieren und anmelden. Zudem meinte der Mann am Telefon, dass mein Sportgepäck nicht kostenpflichtig sei, solange die mir zustehende Gepäckmenge nicht überschritten werde. Sehr gut. Zudem konnte er mir nochmals bestätigen, dass ich für diesen Flug keinen Corona-Test benötigen würde. Super.

 

Am Mittag kam ich dann unerwartet an einem kleinen Shop vorbei, wo ich sogar einen warmen Hamburger bekam. Während der Speise genoss ich noch Bewunderung für meine doch schon enorme geleistete Strecke. Mir selbst war dies nicht so bewusst. Ich war zwar schon wirklich lange unterwegs, aber weder das Wetter noch die Vegetation oder die Kultur hatten sich markant geändert. Deshalb kam es mir nicht so vor, als wäre ich enorm weit weg von Kenia. Dabei war ich mit 3700 Kilometer schon wirklich weit gefahren. Wenn ich in Egg aus gestartet wäre, hätte ich nach so vielen Kilometern beispielsweise schon fast die syrische Hauptstadt Damaskus erreicht.

 

Nach dem Burger ging die Fahrt nun also positiv gestimmt weiter. Ein paar Kilometer später kam ich erneut an einem kleinen Shop vorbei. Da die Temperaturen trotz Wolken relativ drückend warm waren, entschied ich, mir nochmals ein kaltes Getränk zu gönnen. Doch dies war ein Fehler. Das Fanta tat zwar wirklich gut, aber als ich wieder weiter fahren wollte, sah ich, dass ich mein Velo schlecht geparkt hatte und ein Dorn in meinem Vorderrad steckte. Nach dem Entfernen des Dorns entwich natürlich Luft aus dem kleinen Löchlein. Ärgerlich. So machte ich mich gereizt an die Arbeit. Ich flickte zwar den defekten Schlauch, aber da ich kein Risiko eingehen wollte, montierte ich den Neuen, welchen ich im namibischen Grenzort gekauft hatte. Ich schwor mir, dass ich nie wieder unter einem Stachel-Baum durch fahren würde.

 

Nachdem ich also mein Velo zurück auf die Strasse getragen hatte, war ich froh meine Fahrt endlich fortsetzen zu können. Doch etwas stimmte nicht mit meinem Velo. Als ich nochmals den Reifendruck kontrollierte, drehte ich durch. Der Vorderreifen hatte wieder massiv an Druck verloren. Das konnte doch nicht sein. Es war ein neuer Schlauch. Einfach ohnmächtig so etwas! Schon nahe der Verzweiflung führte ich den ganzen Zirkus noch einmal durch.

Mit dem zuvor geflickten Schlauch ging es eine halbe Stunde später dann endlich weiter. Bei einer erneuten Druckkontrolle an beiden Reifen schien zum Glück alles okay zu sein, doch ich machte eine andere dramatische Entdeckung: Der Hinterreifen war auf einer Seite entlang des Rades an vielen Stellen beschädigt und das weisse Gewebe, trat teilweise hervor. Bei einer Stelle hatte es sogar schon eine ganz leichte Ausbeulung. Ich wusste was dies zu bedeuten hatte. Der Reifen würde reissen, wie es schon in Sambia passiert war. Die Frage war nicht ob, sondern wann. Dies würde dann ein Ende meiner Fahrt bedeuten, denn wenn niemand Speichen für diese spezielle Radgrösse hatte, dann hatte auch niemand einen passenden Reifen.

 

Mit dem Wissen, dass es jeden Moment zu Ende sein konnte fuhr ich dann also weiter. Bald kam ich in einen kleinen Ort mit Shop und Polizei Checkpoint. An dem Checkpoint hatte ich eigentlich vor zu schlafen, doch man gab mir die Info, dass es nur wenige hundert Meter von hier einen gesicherten Campingplatz gäbe. Eine Unterkunft wäre zwar besser gewesen, aber auf einem Campingplatz ist es markant angenehmer zu zelten, denn es gibt Licht, sanitäre Anlagen und einen relativ weichen, flachen und übersichtlichen Untergrund. Dies war tatsächlich meine erste Nacht auf einem Campingplatz. Nach Burger vom Shop nebenan lag ich dann schon bald im Zelt. Es ging lange bis ich endlich einschlief aufgrund der herrschenden Hitze und meiner unzähligen, juckenden Mückenstichen.

 

Tag 32

 

Um 6:20 war ich dann wieder auf den Beinen. Ungünstigerweise gab es aber schon zu dieser frühen Stunde Probleme. Die Pumpe meines Benzinkochers funktionierte nicht mehr, und somit konnte ich mir nichts zum Frühstück kochen. Letztes Mal auf der Norwegen-Reise, hatte sich dieses Problem mit ein wenig Schmierfett lösen lassen, doch dies half hier nichts. So war es das gewesen mit dem Kochen auf dieser Tour. Schade, denn in dieser letzten Woche wäre es nochmals wirklich wichtig gewesen während der Fahrt auch mal kochen zu können. Durch die mühsamen Problembehebungsversuche hatte ich natürlich viel Zeit verloren und so war ich erst nach 8:00 zurück auf der Strasse.

 

Ich war noch nicht lange unterwegs, da wurde mir aus einem fahrenden Geländewagen ein kühles Redbull herausgereicht. So gefällts. Leider war dies aber auch das einzige kühle Getränk, welches ich bis zur Ankunft in meiner Unterkunft in Grootfontein trinken konnte. Denn ich befand mich wirklich im Schilf hoch 2. An einem einzigen Haus war ich in den 125 Kilometer vorbei gekommen. Sonst gar nichts: keine Hütte, keine Baracke nur Strasse und Natur. Man muss sich dies mal vorstellen. Eine Strecke von Egg bis Chur und dazwischen nichts. An der Tankstelle, dieser grösseren Ortschaft konnte ich dann noch die Getränke- und Essensreserven auffüllen, denn der Folgetag sollte sich gemäss Recherchen ähnlich gestalten.

Nach einem zufriedenstellenden Znacht in der Unterkunft lag ich dann um 19:45 auch schon wieder in den Federn.

 

Tag 33

 

Um 3:45 läutete mein Wecker. Bis zur nächsten Ortschaft waren es 170 Kilometer und so war es von Vorteil früh zu starten. Bei der nahen Tankstelle, welche 24/7 offen hatte, konnte ich dann noch etwas schnappen. Nach Burger und Cola startete dann also die Fahrt.

So rollte ich südwärts in den Tag hinein. Es war ein so eintöniges, ruhiges und unspektakuläres Fahren, dass ich mich neben Musik sogar mit Hörspielen unterhalten musste. Die Fahrt wurde begleitet durch zeitweiligen Regen und Seitenwind.

So erreichte ich nach knapp 11 Stunden Fahrt durch die namibische Dornensavanne meinen geplanten Übernachtungsort Okandjatu. Zum Glück eskortierte mich jemand zur 3 Kilometer entfernten Lodge, ansonsten hätte ich diese nie gefunden. Es waren noch mühsame 3 Kilometer über losen Untergrund und mir wurde bewusst, dass mich die folgenden drei Tage nochmals an meine Grenzen bringen würden, denn gemäss meiner Navigationsapp verblieben noch 220 Kilometer zum Flughafen und 200 Kilometer davon sollten unasphaltiert sein. Nicht mehr viel eigentlich aber immer noch eine Distanz von Zürich nach beispielsweise Stuttgart oder Bellinzona. Noch mehr Sorgen machte mir mein Velo. Solch eine Strasse konnte fatal sein für meinen schon sehr angeschlagenen Hinterreifen. In der Lodge erkundigte ich mich nach alternativen Routen zum Flughafen, doch die Alternativroute war doppelt so weit und kam somit nicht in Frage. Dies war somit geklärt, und der morgige Tag konnte kommen.

 

Tag 34

 

Der Tag startete entspannt im Wohnzimmer der Gastgeber. Während dem englischen Frühstück verfolgte ich im Hintergrund die Zusammenfassung der Präsidentschaftsübergabe in den USA. Um 8:00 war ich dann auf der Holperpiste. Die ersten Meter waren wirklich mies und ich kam nur schleppend voran.

Zum Glück wurde es bald besser. Besser war sogar untertrieben. Es wurde herrlich. Nach wochenlangem bewölktem und regnerischem Wetter war es heute strahlend blau und schön. Zudem blies ein starker Wind in meinen Rücken. Somit kam ich trotz teilweise wirklich schlechter Strasse unerwartet gut voran.

Auch der Reifen hielt. Zum Glück. So erreichte ich schon um 14:00 nach 80 Kilometern die Häuseransammlung Hochfeld. Hier hatte ich eigentlich übernachten wollen, doch ich entschied mich anders. Ein allerletztes Mal füllte ich in einem unerwartet grossen Laden Trink- & Speisevorräte auf für die letzten 140 Kilometer. Als ich zum X-ten Mal meinen Hinterreifen auf mögliche Schäden kontrollierte, musste ich feststellen, dass es gar nicht gut aussah. An mehreren Stellen drohte das Gewebe jeden Moment zu reissen. Ich konnte nur hoffen, dass er jetzt doch bitte noch 140 Kilometer halten würde.

 

Nach Hochfeld wurde die Strasse längerfristig schlechter. Strasse konnte man dies eigentlich nicht mehr nennen - Sandpiste beschrieb es eher.

Mehrere Male rutschte ich weg, oder blieb fast stecken und bei einigen Passagen musste ich mein Velo sogar schieben. Die Sonne näherte sich langsam dem Horizont und so war es nach insgesamt 130 Kilometer mal Zeit einen Schlafplatz zu suchen. Da von Westen her bedrohlich dunkle Gewitterwolken aufzogen, hielt ich nach einer möglichst tief gelegenen Mulde Ausschau. Bald war ein geeigneter Platz gefunden worden und der Nachtlager-Aufbau begann. Ich war froh, als ich endlich im Zelt lag, denn die mich jagenden Mücken, hatten mich fast in den Wahnsinn getrieben. Wie vermutet zog das Gewitter heran. Immer wieder wurde es taghell im Zelt, zudem machten die lauten Donnergeräusche und der niederprasselnde Regen das Ganze schon ein wenig unheimlich. Bald war das Unwetter aber weitergezogen und so konnte ich einschlummern.

 

Tag 35

 

Dies sollte der entscheidende und finale Fahrtag werden. Die noch verbleibenden 80 Kilometer sollten heute zu schaffen sein, wenn nichts mehr dazwischen kommen würde. Bohnen aus der Dose und Brot sollten mir Energie geben für den Start in diesen grossen Tag. Doch die aggressiven Mücken liessen mich nicht in Ruhe. Ich hatte immer noch ein wenig Benzin aus Sambia im Gepäck und nun fand ich Verwendung dafür. Es nützte! Die Mücken liessen sich durch das Feuer vertreiben und zudem entstand noch ein gutes Foto.

Bald rutschte ich also weiter auf der sandigen Piste. Und dann passierte was schon längst überfällig war. So kurz vor dem Ziel riss der Hinterreifen auf.

So kurz vor dem Ziel. 75 lächerliche Kilometer vor dem Flughafen. Das hätte wirklich nicht sein müssen. Ich hatte schon fast damit gerechnet und so behielt ich meine Fassung. Der Schlauch war wenigstens ganz geblieben und so investierte ich mein ganzes handwerkliches Geschick, um ein endgültiges Ende der Fahrt hinaus zu zögern. So umwickelte ich also den Problembereich mit Verband. So schaffte ich weitere 5 Kilometer, dann wurde es so schlimm, dass ich abstieg und das Velo schob, um ein Platzen des Schlauches zu verhindern.

 

Nach 5 Kilometern Fussmarsch musste ich meinen Ehrgeiz jedoch hinunterschlucken und realisieren, dass ich es nicht ohne fremde Hilfe an den 65 Kilometer entfernten Flughafen schaffen würde. Ich war so nahe dran gewesen, es zu schaffen, hatte schon so viele Hürden überwunden, so viele Probleme gemeistert, es musste doch auch hier irgend eine Lösung geben! Zum letzten Mal stellte ich also mein Velo auf den Lenker und montierte das Hinterrad ab. Mit den letzten 5 Schlauch-Flick-Pflaster klebte ich also den Riss im Reifen zu. Eine Stunde hatte ich durch dieses Gebastel verloren, doch es schien sich gelohnt zu haben. Die Fahrt konnte weiter gehen. Die Frage war nur wie lange noch. Nicht viel Zeit war vergangen und es wurde wieder schlechter. Der herausquellende Schlauch streifte bei jeder Radumdrehung den Rahmen und es wurde mit jedem Meter schlimmer. Unbeirrt trat ich in die Pedale und versuchte möglichst schonend zu fahren, was bei der schlimmen Schotterpiste fast unmöglich war. Die zunehmende Hitze machte das Fahren noch zusätzlich beschwerlich. Dazu kam, dass mir mein Wasser langsam ausging. Ich benötigte auch viel, denn die Sonne, welche mit einem 90 Grad Winkel auf mich niederbrannte, brachte mich ordentlich ins Schwitzen.

 

So ging es langsam Kilometer für Kilometer vorwärts. Und dann als ich um eine Kurve bog, liess sich ganz weit weg in der Ebene so etwas wie ein Flughafen-Tower erahnen. Die positive Energie verpuffte aber wenige Augenblicke später gleich wieder, denn der Schlauch platzte. Das war’s dann gewesen mit meiner Fahrt. 35 Kilometer waren es noch bis zum Flughafen. Wasser hatte ich auch so gut wie keines mehr. Am Ende meiner mentalen und körperlichen Kräfte schob ich also das Velo wieder. Es ging ewig bis mir endlich ein Fahrzeug entgegen kam. In meiner Not wurde mir geholfen, und so wurde mir eine Halbliter-Cola aus dem Fenster gereicht. Dies war ein Anfang. Insgesamt 5 Mal musste ich Autos anhalten, um meinen Wasserbedarf zu decken. Um 16:00 befand ich mich 30 Kilometer vor meiner „final destination“. Sollte ich mich von einem Fahrzeug mitnehmen lassen? Nein, 30 Kilometer wären schon noch irgendwie zu schaffen. Die Entscheidung war also gefallen. Ich konnte doch nicht so kurz vor meinem Ziel aufgeben. Aber ich konnte mein Velo auch nicht 30 Kilometer schieben. Da der Weg sowieso weich und sandig war, versuchte ich trotz plattem Reifen zu fahren. Ganz schlecht für das Rad, aber bei diesem weichen Untergrund sollte sich der Schaden eigentlich in Grenzen halten können. Es war zwar wirklich ein mühsames Fahren, aber es ging und war deutlich besser als schieben. Eine Stunde später erreichte ich dann die Hauptstrasse. Noch 17 Kilometer bis zum Flughafen. Nun musste ich wieder schieben. Doch es schien, als trete ich auf der Stelle. Da mein Hinterrad ja sowieso schon im Eimer war, entschied ich erneut weiter zu fahren. Noch 10 Kilometer. Das Ziel kam langsam wirklich näher. Um 18:45 nach insgesamt 4175 Kilometer und 33 Tagen erreichte ich den Hosea Kutako International Airport. Ich hatte es wirklich geschafft. Endlich!

Telefonisch konnte ich dann eine Unterkunft kontaktieren, welche mich samt Velo am Flughafen aufgabelte. Perfekt. Nach gutem Dinner lag ich dann zufrieden auf meiner Matratze. An Schlafen war aber nicht zu denken, denn die Dutzenden Mückenstiche, welche ich mir am Vorabend und am Morgen eingefangen hatte, juckten wie die Hölle.

 

Tag 36

 

Die Reise startete in die Endphase. Nach gemeinsamem Brunch mit den Unterkunftsbesitzern wurde ich dann mit dem Auto zu ihren 5 Kilometer entfernten „Nachbarn“ gebracht. Dort hatte ich vor einigen Tagen ein Zimmer via Booking.com reserviert. Auf dem Sitzplatz meines kleinen Chalets sass ich wenig später im Schatten an einem kleinen Gartentischchen mit Blick auf Agaven, Palmen und anderen exotischen Wüstenpflanzen. So aktualisierte ich dann wieder einmal den Bericht und genoss noch den letzten Sommertag hier in Afrika. Später machte ich dann noch mein Velo transportbereit und packte meine Sachen für den morgigen Flug. Der entspannte Tag wurde dann noch von einem hoch delikaten 4-Gang Menü abgerundet.

 

Tag 37

 

Es stand die grosse Rückreise an. Um 8:00 war ich schon im Flughafengebäude. Mein Velo liess ich einpacken und danach konnte ich es problemlos aufgeben - tatsächlich kostenlos. Um 9:30 betrat ich den Airbus A330. Die Auslastung war unter 25% und so war es kein Problem einen Fensterplatz zu ergattern. Wenig später schwebten wir dann schon über der Ebene. Bald gab es auch schon Getränke und Speise. Der Service von Eurowings war um Meilen schlechter als der von British-Airways. So musste ich mir in der Bordküche selbst ab und zu kostenpflichtig Nachschub besorgen. Wenn ich nicht gerade am Essen war, überarbeitete und verbesserte ich nochmals meinen Bericht. Zeitweise schaute natürlich auch aus dem Fenster. Das überfliegen der Sahara hatte es mir besonders angetan.

Es war schon ein langer Flug, und ich war froh als wir nach 10 Stunden endlich in Frankfurt landeten. Unglaublich schon war ich wieder fast zu Hause, nach nur 10 Stunden.

Alles lief reibungslos und eine Stunde nach der Landung war ich schon am Frankfurter Hauptbahnhof. Die 300 Meter zum Hotel schaffte ich dann auch noch irgendwie trotz meines fast 30 Kilo schweren Gepäcks. Touristische Hotelübernachtungen sind zwar momentan verboten in Deutschland, aber ich reiste ja «geschäftlich». Nach einem Dönersandwich ging ich dann auch schon zu Bett.

 

Tag 38

 

Um 3:15 läutete der Wecker. Kurz nach 4:00 Uhr sass ich im Zug nach Stuttgart. Von Stuttgart ging die Fahrt dann in einem anderen Zug weiter in Richtung Schweiz. Während der Fahrt genoss ich einen schönen Blick auf die Winterlandschaft. Der viele Schnee war wirklich krass. Ja und von Zürich ging es dann noch mit der Forchbahn nach Egg.

So nahm das riesige Projekt nach enorm langen, prägenden, teilweise mühsamen aber auch schönen 5 Wochen ein Ende.

 

Es folgt die Etappen- und Kilometertabelle.

Zudem folgen ein paar Eckdaten über die Reise und am Schluss kommt noch eine Abbildung mit der selbst erstellten Karte meiner Route.

Tag 1: Jomo Kenyatta International Airport, Nairobi - ≈Namanga (176Km)
Tag 2: ≈Namanga - Makuyani (150Km)
Tag 3: Makuyani - Kateshi (151Km)
Tag 4: Kateshi - Ikungi (117Km)
Tag 5: Ikungi - Mitundu (143Km)
Tag 6: Mitundu - Rungwa (128Km)
Tag 7: Rungwa - ≈Mazimbo (97Km)
Tag 8: ≈Mazimbo - Mwambani (117Km)
Tag 9: Mwambani - Mlowo (135Km)
Tag 10: Mlowo - Kalungu (103Km)
Tag 11: Kalungu - Kalungu (0Km)
Tag 12: Kalungu - Kalungu (0Km)
Tag 13: Kalungu - Chinsali (155Km)
Tag 14: Chinsali - ≈Mpika (130Km)
Tag 15: ≈Mpika - ≈Salamo (133Km)
Tag 16: ≈Salamo - Serenje (137Km)
Tag 17: Serenje - Kapiri Mposhi (195Km)
Tag 18: Kapiri Mposhi - Mwaiyasunka (154Km)
Tag 19: Mwaiyasunka - Lusaka (58Km)
Tag 20: Lusaka - Mazabuka (146Km)
Tag 21: Mazabuka - Choma (161Km)
Tag 22: Choma - Livingstone (194Km)
Tag 23: Livingstone - Kazungula (68Km)
Tag 24: Kazungula - Katima Mulilo (146Km)
Tag 25: Katima Mulilo - Kongola (118Km)
Tag 26: Kongola - Divundu (200Km)
Tag 27: Divundu - Shitemo (130Km)
Tag 28: Shitemo - Rundu (84Km)
Tag 29: Rundu - Mururani (132Km)
Tag 30: Mururani - Grootfontein (127Km)
Tag 31: Grootfontein - Okandjatu (170 Km)
Tag 32: Okandjatu - ≈Hochfeld (130Km)
Tag 33: ≈Hochfeld - Hosea Kutako International Airport, Windhoek (90Km)


Eckdaten

 

Kosten: insgesamt ca. 3’000 CHF (Mit Impfungen und ohne Veloreparatur

Länder: 4 (Kenia, Tansania, Sambia, Namibia)

Total Kilometer: 4‘175 Km

Tagesdurchschnitt: 134.7Km (a 31 Etappen)

Daten: 19.12.2020 - 25.1.2021

Günstigste Übernachtung: 4 CHF

Teuerste Übernachtung: 135 CHF

Durchgeführt von: gabriel.web@icloud.com