aktueller Bericht über die Südamerika-Tour: Asuncion  - Lima

12.1. - 17.2.2024

Idee & Planung

Nach der 8-wöchigen Zentralamerika-Reise im Sommer 2021 war meine Velofahrlust vorerst mal bedient gewesen. Doch hatte ich gewusst, dass dies nicht das letzte Grossprojekt gewesen war in meinem Leben. Denn das Unterwegssein allein mit dem Velo in fernen Ländern hatte einfach seinen Reiz. Man kommt an Orte, an die man sonst niemals reisen würde. Man erlebt die Natur und die Landschaft so intensiv und so vielfältig, wie es sonst nicht möglich wäre und man kommt mit verschiedensten Leuten in Kontakt, die man sonst nie treffen würde. 

Da ich zwischen Januar und Februar 2024 Semesterferien habe und in den beiden Berufsfeldern, in denen ich noch tätig bin Nebensaison herrscht, war dies somit das optimale Fenster für eine grosse Reise.

Die Zieldestination zu wählen war dabei schwieriger als sonst, denn bei den letzten beiden Grossprojekten in Afrika und Zentralamerika konnte ich nicht die Länder wählen, in die ich Reisen wollte, sondern die möglichen Reiseländer wurden mir von den Corona Einreisebestimmungen vordiktiert. Nun war die Pandemie vorbei und ich konnte mir die Reiseländer abgesehen von einigen Krisenregionen frei aussuchen. Da das Fahren bei Kälte nur bedingt Spass macht, war klar, dass die Reiseländer eher im Süden liegen musste und da ich bereits in Afrika war, kam ich dann schnell auf Südamerika. Im Februar 2023 lobte dann eine Studienkollegin, welche einige Wochen in Südamerika unterwegs war, Bolivien in den höchsten Tönen. Dies fixierte dann meine Zieldestination.

Bei meinen bisherigen Projekten waren die durchfahrenen Landschaften grösstenteils flach und somit auch oft relativ unspektakulär gewesen. Da Bolivien Teil eines der grössten und höchsten Gebirges der Welt ist, war klar wohin die Fahrt gehen sollte. Ich wollte über die Anden radeln. Da Asuncion und Lima mit Direktflügen von Europa aus bedient werden und die geplante Fahrdistanz zwischen den beiden Punkten in den verfügbaren 5 Wochen knapp zu schaffen sein sollten, waren die Eckpunkte der Route abgesteckt. 

So buchte ich im Oktober 2023 die Flüge und startete im November mit den Vorbereitungen. Das Velo wurde im Gegenzug für ein paar blaue Nötchen auf Vordermann gebracht. Eine neue Regenmontur und warme Jacken für das kühl-nasse Anden-Wetter wurden angeschafft, meine Spanischkenntnisse wurden aufgefrischt und ich versuchte mich körperlich auf die bevorstehenden Strapazen vorzubereiten. Die Vorfreude war gross und eines Tages war es dann endlich so weit. Das 3. Grossprojekt konnte starten.




Tag 1 (12.1.2024)

Ich jogge zurück in Richtung meiner WG. Vergessen habe ich zwar nichts, doch bin ich im Stress und muss meine beiden Gepäckstücke irgendwie an den Bahnhof Wädenswil schaffen, was mehr Zeit in Anspruch nimmt, als angenommen. Die Kollegen sind alle in den Ferien und so muss ich mein 8 kg schweres Handgepäck und meine 21 kg schwere Kartonschachtel abwechslungsweise Stück für Stück in Richtung Bahnhof schleppen. Zum Glück bietet auf den letzten Metern ein Passant seine Hilfe an, sonst wärs schon bald knapp geworden mit dem Zug um 15:48.

Am Flughafen klappt alles reibungslos mit der Aufgabe meiner Schachtel. Um 18:40 werde ich schon in den Sitz der Boeing 737 gedrückt, welche mich in die Hauptstadt Spaniens transportieren würde. Zwei Stunden später bin ich dann in Madrid. Als ich gegen 22:30 das angegebene Gate für Asuncion ansteuere, staune ich über die vielen Leute, die sich schon vor dem Tresen aufgereiht haben. Ich habe angenommen, dass an einem 12. Januar nicht extrem viele Leute nach Paraguay fliegen wollen, doch da habe ich mich geirrt. In der Dreamliner-Boeing 767 bleiben nur ganz vereinzelt Plätze frei, welche aber leider nicht neben mir lokalisiert sind. Kurz nach Mitternacht hebt dann der unglaublich leistungsstarke Vogel ab.

Tag 2 (13.1.2024)

9200 Kilometer und 11.5 Stunden Flugzeit liegen vor uns. Mein bisher weitester Flug in meinem Leben. Dieser lange Flug ist dann nicht wirklich idyllisch. Schlafen im Sitzen ist noch nie meine Stärke gewesen und so kann ich nur ein paar Schlaffragmente sammeln, welche in der Summe die 2 Stunden nicht übersteigen. Auch der Service ist mickrig. Kurz nach Abflug gibts zwar noch eine magere Speise, doch dann zieht sich das Kabinenpersonal in die Bordküche zurück und schert sich erst 9 Stunden später wieder um das Wohlergehen der Passagiere. Vor der Landung hätte ich noch ein kleines Frühstück erwartet, oder wenigstens nochmals eine ordentliche Getränkeauswahl mit einem Snack dazu. Doch mein leerer Magen wird mächtig enttäuscht. Ausser einem halbleeren Becherchen Tee gibts nichts.

Um 7:30 Ortszeit erreicht die Maschine dann endlich Asuncion, die Hauptstadt Paraguays im Herzen von Südamerika. Wenige Minuten später stehe ich am Tresen des Einreiseschalters und erkläre ein paar Eckdaten von mir und meiner Reise. Dann braucht der Officer noch eine Adresse, welche ich ihm aber nicht geben kann, da ich ja kein Hotel reserviert habe. Ich sage zu ihm: „Ich reserviere später eins“, doch der Officer meint: „Jetzt!“. Als ich erwidere, dass ich nicht mal Netz habe hier, zückt er sein Handy und richtet mir einen Hotspot ein. Das günstigste Hostel in Asuncion ist für 8$ die Nacht zu haben und so reserviere ich ein Zimmer - ich zeige mein Handy und das genügt dem jungen Mann. Zum Glück merkt er nicht, dass zur definitiven Buchung noch ein weiterer Klick nötig gewesen wäre.

Der Flughafen Asuncion ist so klein, dass es nur ein einziges Gepäckband gibt und ich bin froh, als ich daneben meine Kartonschachtel erblicke.

Mein Velo ist Gott sei Dank angekommen. Zügig baue ich die Einzelteile zusammen. Der Transport scheint keine grösseren Schäden verursacht zu haben. Nach 30 Minuten bin ich noch der letzte Passagier, der dort in der Halle ist und ich werde angewiesen, die Halle zu verlassen. Ich frage die beiden Flughafenmitarbeiter, ob sie meine Schachtel irgendwo entsorgen können. Sie haben keine Freude, doch sehen sie auch, dass es für mich unmöglich ist, die Kiste irgendwie mitzunehmen und so wird die Kiste von dem Arbeiter abtransportiert. Ausserhalb des Ankunftsbereichs treffe ich noch die letzten Vorbereitungen und bin dann um 9:30 endlich startklar. Ich trete ins Freie und staune nicht schlecht, als mir schwülwarme Luft entgegenschlägt. Klar wusste ich, dass es hier heiss sein würde, doch dass es sich schon um halb zehn Uhr morgens so heiss anfühlt, das habe ich nicht erwartet.

Nach einem Startfoto schwinge ich mich auf mein rotes Bike und fahre weg von Asuncion in Richtung Nordwesten, in Richtung Bolivien, in Richtung Anden und in Richtung Lima, der Zielstadt. Über 3700 Kilometer und 34 Reisetage liegen vor mir! Maximale Reise- und Abenteuerlust steigen in mir hoch und lösen positive Gefühle aus. Doch die währen nicht lange. Die zunehmende Hitze ist unangenehm und drückt aufs Gemüt. Auch der Körper protestiert gegen die extreme Umstellung. Vom eisig-grauen Wädenswil-Wetter in die paraguayische Sommerhitze, das ist nicht ohne! Nach einer Stunde Fahrzeit finde ich endlich einen grösseren Supermarkt und kann mich noch mit Vorräten wie Farmern, Nüssli, Jogurt, Bananen und Wasser eindecken. Das ist gut, denn die Strasse führt schon bald ins Niemandsland hinein. Dieser Strasse werde ich nun bis an die bolivianische Grenze folgen.

Das Terrain ist topfeben und die Vegetation ist baumsavannenartig und diverse Palmen sind auf der Ebene zu sehen. Die Sonne steigt immer höher und gegen 12:00 Uhr brennt sie im 90-Grad-Winkel auf mich nieder. Ein wirklich ungediegener Start. Gegen 14:00 Uhr droht mir dann langsam das Wasser auszugehen. Doch glücklicherweise gibt es kurz darauf neben der Strasse eine provisorische Containersiedlung. Zwei Männer dort helfen mir freundlich weiter und füllen mir meine zwei 2-Literflaschen mit eiskaltem Wasser auf. Geld wollen sie keines annehmen.

Der Nachmittag zieht sich und ich beisse auf die Zähne. Gegen 18:00 Uhr ist es immer noch unerträglich heiss und mir ist leicht übel, der Magen schmerzt ein wenig (wahrscheinlich, weil ich zu wenig gegessen habe, da mir die Hitze auf den Appetit schlägt) und der Kopf brummt. Nach einer weiteren Stunde ist die Sonne schon fast untergegangen, trotzdem fühle ich mich gar nicht gut. Bei einem Betonunterstand stoppe ich und lege mich hin. Kurz darauf wird mir speiübel. Ich bin kurz davor mich zu übergeben, doch die eingenommene Tablette IterolB6 gegen Erbrechen und Übelkeit kann Schlimmeres verhindern. Eine halbe Stunde später kann ich meine Fahrt fortsetzen.  

Es ist schon stockfinster, als ich um 21:00 Uhr einen möglichen Zeltplatz ausfindig machen kann. Beim Aufbau des Nachtlagers schaue ich immer wieder in den Himmel. Die Sterne sind supergut zu sehen und sogar die Milchstrasse ist zu erkennen. Doch nur wenige Sekunden später stören Mücken den malerischen Anblick. So versuche ich möglichst schnell ins Zelt zu kommen. Aufgrund der kleinen Zeltgrösse kann ich im Zelt nur liegen und da ich immer noch Magenschmerzen und keinen Appetit habe, muss das Nachtessen ausfallen und mein Körper muss sich mit 2 Himbeerfarmern begnügen. Sehr ungediegen. 

Strecke: 125km 

Tag 3 (14.1.2024)

Ich verbringe eine sehr bürstige und heisse Nacht, welche durch diverse Trink- und WC-Pausen unterbrochen wird. Als ich um 4:42 aufwache, entscheide ich mich aufzustehen. Ich liege nur in Unterhosen im Zelt und ohne Decke - erst jetzt sind die Temperaturen einigermassen angenehm geworden. Ich krieche aus dem Zelt und packe alles zusammen. Als ich losfahre, ist die Sonne schon fast wieder aufgegangen, leider.

Bis 11:00 Uhr komme ich nicht schlecht voran. Doch dann bremst die zunehmende Wärme und aufkommender Gegenwind mein Vorankommen markant. Halbstündige Fahreinheiten folgen auf stündige Erholungspausen unter Bäumen.

Erst um 17:15 kann ich dann definitiv weiterfahren. Sogar um 18:00 Uhr überlege ich, erneut im Schatten zu pausieren, da es noch immer extrem heiss ist. Doch um die nächste Siedlung Pozo Colorado noch vor 21:00 Uhr ansteuern zu können, beisse ich auf die Zähne und kämpfe mich weiter voran. Ich hoffe schwer, dass es dort eine Unterkunft hat, denn auf eine erneute Nacht im Zelt habe ich 0 Lust. Und ich habe Glück! Es gibt eine rudimentäre Unterkunft, in welcher ich für umgerechnet 14.- Franken nächtigen kann. Eine gute Investition. Allgemein ist mir aufgefallen, dass hier in Paraguay ein sehr tiefes Preisniveau herrscht. Das kommt mir natürlich entgegen. 

Die kühle Dusche tut so gut! Sogar WLAN hat es und so checke ich das Wetter. Heute Nachmittag sind die Temperaturen auf 40 Grad geklettert. Was mir Sorgen bereitet sind die Wetteraussichten. Am morgigen Tag würden sogar 41 Grad erwartet werden, dazu weiterhin starker Nordwind (meine Fahrtrichtung: Nordwesten). Übermorgen sogar 44 Grad und 40km/h Nordwind. Das ist gar nicht gut! 

Nachdem ich bei der Shell Tankstelle endlich mal wieder etwas Rechtes gegessen habe, schreibe ich noch ein wenig an diesem Bericht, bevor ich dann ko ins Bett falle. 

Strecke: 135km 

Tag 4 (15.1.2024)

Die Klimaanlage und der Deckenventilator tun diese Nacht ihren Dienst und so kann ich ohne zu schwitzen durchschlafen. Um 6:45 wache ich auf. Ich packe meine Sachen und verlasse mein Zimmer. Die schwülwarme Luft draussen haut mich fast um. Auch heute wird wieder ein harter Tag werden! Nach einem Frühstück bei der nahen Shell-Tankstelle geht das Leiden um 8:00 Uhr weiter. Der Plan ist es, bis um 12:00 Uhr die ca. 50 Kilometer entfernte nächste Tankstelle zu erreichen, um dort die heissesten Nachmittagsstunden irgendwo verbringen zu können. Schon zu Beginn spüre ich leichten Gegen-Seitenwind. Doch es wird immer schlimmer. Einerseits nimmt der Wind zu und andererseits steigen die Temperaturen. Mit Musik und Hörbüchern versuche ich mich von der Qual abzulenken. Langsam, zu langsam kommt der Ort näher. Immer stärker muss ich gegen das Bedürfnis kämpfen aufzuhören. Der Gegenwind drückt enorm auf die Motivation. Immer wieder gibt es Böen, die mich fast zum Stillstand bringen. Doch die kühle Tankstelle ist zum Glück schon fast erreicht. Um 12:00 Uhr sehe ich den Ort auf der Karte noch ca. 5 Kilometer entfernt, doch es geht einfach nicht mehr. Kurz darauf sehe ich unter der Strasse eine Unterführung, welche mit braunem Dreckwasser gefüllt ist. Meine Rettung!

Kurz darauf liege ich in der kühlen Brühe. Es ist himmlisch! Genau das hat mein überhitzter Körper gebraucht. Nach einer halben Stunde im Wasser geht es mir schon fast wieder blendend. Nach dem Schlammbad lege ich mich auf meine Campingmatratze und döse dahin. Danach suhle ich mich wieder im Wasserloch und aktualisiere dabei den Bericht. Die Badeidylle geht dann den ganzen Nachmittag so weiter, während draussen die 41-grädige-Nachmittagshitze aufs Land niederbrennt. Das Wasserloch ist wirklich das Beste was mir passieren konnte, denn die Tankstelle, welche ich um 17:30 nach halbstündiger Fahrt erreiche, erweist sich als Flop, da es im Tankstellengebäude fast noch heisser ist als draussen.

Um 18:00 Uhr breche ich dann definitiv auf. An diesem Tag habe ich bisher lediglich 62 Kilometer geleistet und dieses schlechte Vorankommen wird sich wohl nicht verbessern, denn für den morgigen Tag sind 44 Grad angekündigt mit 40km/h Nordwind. Wenn ich in absehbarer Zeit mal wieder von dieser paraguayischen Hitzehorror-Ebene wegkommen will, muss ich meine Strategie ändern. Das tue ich dann auch. 

Strecke: 129km 

Tag 5 (16.1.12024)

Nur zu gerne würde ich diese Nacht wie die letzte in einem klimatisierten Hotelzimmer verbringen. Doch erstens gibts in der Nähe keine Hotels und zweitens muss ich die hitzetechnisch erträglichen Stunden nutzen. Es ist also Mitternacht und ich fahre durch die schwarze heisse Nacht. Die Tiefsttemperaturen für den Morgen werden mit 29 Grad angegeben. So herrschen während eines Grossteils der Nacht sicherlich noch Temperaturen über 30 Grad. So etwas habe ich noch nie erlebt. Trotz dem grossen Schlafdefizit, das sich in den letzten paar Tagen angesammelt hat, ist die Müdigkeit noch erträglich. Erst gegen 2:00 Uhr morgens muss ich langsam kämpfen. Ein weiterer Vorteil der Nacht ist, dass sich der stürmische Wind vom Morgen in ein laues Lüftchen verwandelt hat. So komme ich relativ gut voran. Landschaftlich verpasse ich ja auch nichts, denn die Strasse pflügt sich seit Asuncion unverändert durch die flache Baumsavannenlandschaft.

Um 4:00 Uhr erreiche ich mein Ziel, ein Hotel. Dieses ist mir am Vorabend als nächst gelegenes Hotel angegeben worden und mein Plan ist es nun, den rekordverdächtigen Hitzetag hier in einem kühlen Zimmer zu verbringen. Das Hotel macht ein wenig einen verlassenen Eindruck, doch das ist zu so früher Stunde ja nicht wirklich ungewöhnlich.  

Bis zur Morgendämmerung schlafe ich noch ein wenig auf meiner Campingmatraze. Um 6:30 sehe ich dann bei der danebenliegenden Mikrotankstelle jemanden und versichere mich, ob das Hotel auch wirklich offen sei. „No funciona!“ heisst es. 2 Mal hake ich nach, ob ich das richtig verstanden habe. Und ja, das Hotel ist geschlossen. Das darf nicht wahr sein!

Es wäre so wichtig für den Körper, sich mal wieder von diesem Dauer-Hitzestress erholen zu können, den Schlamm vom gestrigen Schlammbad abzuwaschen und in einem weichen Bett den verpassten Schlaf nachzuholen. Doch daraus wird nichts. Schmerz!

So bleibt mir nichts anderes übrig als weiter zu fahren. 5 Kilometer später erreiche ich eine grössere Tankstelle. Als ich das Gebäude betrete, ist mir sofort klar, dass ich den Tag auch nicht hier verbringen kann, den es herrscht eine Bombenhitze und mich einfach im Tankstellenshop aufs Ohr hauen kann ich ja auch nicht. So kaufe ich so viel Wasser, wie ich irgendwie noch transportieren kann, sowie 10 Empadadas gefüllt mit Schinken und Käse. Dieses Gebäck ist in den letzten Tagen zu meinem Hauptnahrungsmittel geworden. Diese sind fast überall zu haben, sie sind nahrhaft und relativ fein. Eine Stunde nach dem Tankstellenhalt ist es schon wieder zu heiss und meine Weiterfahrlust ist nicht nur im Keller sondern noch weit darunter. Vergeblich halte ich nach einem Wasserloch oder einer Strassenunterführung Ausschau. So muss ich mich wohl oder übel in die Vegetation verkriechen. Die Vegetation hat sich in der Nacht schon ein wenig verändert. Man sieht jetzt vermehrt Kaktusse und kleinere Bäume mit lichten Kronen. Das macht die Suche nach einem geeigneten Schattenplatz, wo ich die nächsten 9 Stunden überleben kann nicht gerade einfacher. Doch nach zwei Anläufen finde ich einen zufriedenstellenden Spot. Doch an dem Spot ist schon jemand unterwegs. 

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Ein kleines putziges Gürteltier spaziert über den staubtrockenen Boden. In den nächsten Stunden bin ich nur noch am Existieren und am Überleben. Ich schmelze wie ein Raclette-Käse dahin. Schlafen kann ich auch nicht wirklich. Ich spüre meinen zügigen Herzschlag und merke, wie mein Körper am Limit läuft, obwohl ich mich nicht bewege. Die Temperatur im Schatten wird im Wetterbericht mit 44 Grad angegeben, als gefühlte Temperatur sogar 51 Grad, aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit! Das ärgert mich auch, denn ich habe ja vorgängig das Klima der Route studiert und die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur wird in Asuncion im Januar mit 34 Grad angegeben. Immer wieder muss ich meine Campingmatratze umplatzieren, da der Deckungsgrad der Baumkronen nur ca. 70% beträgt und mein Spot immer wieder in die Sonne kommt. Sehr mühsam.

Irgendwie lasse ich die 9 Stunden über mich ergehen und will dann um 18:00 Uhr weiterfahren. Doch es ist immer noch zu früh. Solch eine unglaubliche Gluthitze habe ich wirklich noch nie erlebt. Nach 5 Minuten Fahrt muss ich mich wieder in den Schatten eines Baumes retten und das, obwohl die Sonne schon in 1.5 Stunden untergehen würde. Auch mein Wasserverbrauch ist enorm. An diesem Tag komme ich auf insgesamt 13 Liter!

Strecke: 126km 

Tag 6 (17.1.2024)

Der Abend zieht sich noch lange hin und ich bin todmüde und erschöpft, als ich gegen Mitternacht die Lichter der nächsten Siedlung erblicke. Ich hoffe schwerst, dass ich trotz später Stunde ein Hotel ausfindig machen kann. Und dieses Mal habe ich Glück! Nach 3maligem Fragen finde ich die Unterkunft. Ich kann klingeln und jemand kommt. Kurz darauf bin ich in meinem Zimmer. Sofort schalte ich die Klimaanlage ein. Es ist geschafft!

Ich checke noch das Wetter. Es ist 1:00 Uhr nachts und es hat noch immer 32 Grad und für die nächste Woche liegen die erwarteten Tageshöchstwerte immer über 40 Grad für diesem Ort mit Ausnahme des morgigen Tages, wo 35 Grad erwartet werden mit Bewölkung. Was ein Glück! Das ist mein Fenster, um mich weiter aus diesem paraguayischen Raclette-Ofen herauszuarbeiten.  

Um 10:30 geht die Fahrt mit 8 Litern Wasser im Gepäck weiter, denn die nächsten 120 Kilometer gibt es wirklich gar nichts. Nur alle paar Minuten rollt ein Lastwagen der schnurgeraden Strasse entlang.  

Das erste Mal auf dieser Tour kann ich die Fahrt geniessen. Mit einem spannenden Hörbuch in den Ohren verfliegen die Stunden und so erreiche ich gegen Nachteinbruch die nächste Siedlung La Patria. Auch hier gibt es nicht viel. Ich erblicke ein paar verlotterte Häuschen mit Wellblechdächern, ein paar kleine Lebensmittelläden, eine Tankstelle und ein Hotel.  

Als ich mein Zimmer betrete, beobachte ich gerade, wie ein fetter schwarzer Käfer von einer Ameisenkolonie abtransportiert wird. Auch andere schwarze Käfer rennen am Boden herum, ein besonders Fetter krabbelt sogar übers Bett. Das ist wenig erfreulich, vor allem auch, weil dies das bisher teuerste Hotelzimmer ist. Doch das Wichtigste ist die Klimaanlage und die funktioniert einwandfrei. Das ist die Hauptsache. 

Strecke: 122km 

Tag 7 (18.1.2024)

Heute werden wieder 42 Grad erwartet und da ich den Tag nicht wieder unter irgendwelchen dornigen Büschen verbringen will, entscheide ich mich, im Hotel unter der Klimaanlage auszuharren bis es kühler wird. Ich kann mich gut erholen und ein wenig Schlaf vorholen. 

Um 17:00 Uhr breche ich auf. 10 Liter Wasser habe ich irgendwie in meine roten Taschen hineingezirkelt, denn ich weiss, bis ins 236 Kilometer entfernte Villa Montes wird nichts kommen ausser dem Grenzübergang zu Bolivien, welchen ich in der Nacht passieren will. Der Plan ist, die Nacht durch zu fahren, um ein letztes Mal der Hitze aus dem Weg gehen zu können und möglichst beizeiten Villa Montes am Fuss der Anden zu erreichen.  

An diesem Abend komme ich blendend voran. Ein zügiger Rückenwind schiebt mich von hinten an. Die exotischen Bäume und die blühenden Gräser, welche entlang der Strasse wachsen, geben zusammen mit der untergehenden Sonne ein malerisches Bild ab.

Die Strasse ist seit Asuncion asphaltiert und in einem super Zustand. Meine Stimmung ist wirklich ausgelassen. Wenn alles klappt, kann ich heute Nacht endlich aus dieser heissen Ebene herausfahren. Auch Verkehr hat es so gut wie keinen auf der Strasse. Vielleicht alle 10 Minuten kommt mal ein Lastwagen oder es überholte mich ein Auto. Ein Auto hält sogar an und fragt, ob sie mich mitnehmen können. Sehr freundlich. Allgemein machen die Leute hier in Paraguay einen sehr freundlichen Eindruck und erkundigen sich oft nach meinen Reiseplänen und loben darauf mein Vorhaben mit Erstaunen. 

Und das muss ich auch noch erwähnen: Die Fahrer hier in Paraguay geben sich hier immer Mühe, möglichst weit von mir vorbei zu fahren und haben auch immer Geduld wenn sie mit dem Überholmanöver kurz warten müssen. Zudem winken mir  viele der Fahrer zu. Sehr angenehm. Mit Musik in den Ohren fahre ich also in die Nacht hinein. Es ist so friedlich hier. Das Zirpen der Insekten, die Ruhe, kein Kunstlicht, keine Leute, keine ZHAW, kein Flughafen, keine Sorgen und keine Pflichten, nur ich mein Velo und die Musik!

Gegen 23:45 erreiche ich dann das sehr verlotterte, scheinbar alte Grenzgebäude von Paraguay. Die stehenden LKWs davor lassen mich Böses erahnen. Die Barriere ist unten, eine Kette gespannt, das darf nicht wahr sein! Ich habe ja gestern und heute extra ein paar Leute gefragt und mir bestätigen lassen, dass die Grenze 24 Stunden offen hat! Ich frage ein paar Leute, die in der Nähe auf einer Bank sitzen, ob ich richtig liege mit meiner Vermutung. „Si la frontera esta cerrado hasta 7:30 por la manãna“. Das ist schlecht. Sehr schlecht! Doch vielleicht gibt es ja für Velofahrer eine Ausnahme. 

Im Grenzgebäude sitzen ein paar Grenzwächter in Zivil um einen Tisch und sind am Bier trinken. Ich winke durch das Fenster. Ein junger Mann kommt aus dem Gebäude. Auf spanisch versuche ich mein Anliegen zu erklären. Er meint, er werde fragen. Kurz darauf kommt ein anderer, älterer Mann. Er sagt, dass die Grenze geschlossen sei und man nichts machen könne. Dies ärgert mich. Ich fragt ihn daraufhin, was ich denn machen solle und ob es hier eine Unterkunft habe? Er antwortet, dass es hier keine Unterkunft habe. Darauf entgegne ich, ob ich hier draussen am Boden schlafen solle, wie dieser Hund? Und ich deute auf den Strassenhund der 5 Meter neben uns am Boden liegt. Ich merke, dass ihm dies schon nicht recht ist. Er überlegt und meint, dass man vielleicht etwas arrangieren könne. 

Kurz darauf heisst es, ich solle mein Velo holen. Drinnen im Grenzgebäude sehe ich einen der Männer eine Matratze transportieren. Ich gehe hinein ins kühle Gebäude. Einer der Männer tippt mir noch das WLAN-Passwort ein auf dem Handy und erklärt, wo das Bad zu finden sei. (Noch selten habe ich ein so schmutziges Bad gesehen!). Da die Männer noch eine Weile johlen und trinken, ist an Schlaf nicht zu denken und so schreibe ich noch ein bisschen am Bericht weiter. Erst gegen 1:00 Uhr wird dann der Trinkplausch aufgelöst und das Licht gelöscht.

Strecke: 116km

Tag 8 (19.1.2024)

Die Grenze würde um 7:30 aufgehen, doch da in Bolivien erst 6:30 ist, gewinne ich nicht eine Stunde, sondern verliere eine, da ich erneut warten muss. Pünktlich um 7:30 respektive 8:30 kommt ein Grenzpolizist, um das Tor zu öffnen.

Die Männer, die am Tor warten, sprinten daraufhin los, um die ersten zu sein. Auch ich ergattere einen der Spitzenplätze in der Reihe vor dem Ausreiseschalter. Kurz darauf drückt mir der Beamte, der mir am Vorabend die Übernachtungsmöglichkeit arrangiert hat, den Stempel in den Pass. Nachdem ich dann noch den Einreisestempel für Bolivien erhalten habe, geht die Fahrt weiter. 

Die Temperaturen sind zwar angenehmer, doch leide ich trotzdem unter der Hitze und der Müdigkeit. Jedoch motiviert mich die noch kaum sichtbare Linie am Horizont. Die Anden kommen näher und zwar in grossen Schritten.

Gegen 17:00 treffe ich in Villa Montes ein. Es ist der grösste Ort seit Asuncion und Ziel des ersten Teils der Reise. Ich mache noch ein paar Besorgungen. Ich brauche Bargeld, eine Simkarte, neue Batterien für meine Lampe und Nachschub an Snacks. Ich habe noch nie eine Simkarte in einem fremden Land erworben und mich immer mit Datenpacketen von Salt durchgeschlagen. Hier muss ich aber feststellen, dass dies nicht klug war von mir. Die Simkarte, die ich hier erwerbe, kostet inklusive 1.5 GB Daten lediglich 40 Boliviano, also umgerechnet 5 Franken. Das Einkaufen gestaltet sich dagegen schwieriger. Einen Supermarkt kann ich nicht finden und so muss ich mir auf dem Markt die Sachen zusammensuchen, die ich brauche.

Nachdem ich noch an einem Strassenstand 3 Burger gegessen habe, mache ich den Bericht der letzten 8 Tage publikationsfertig.

Strecke: 122km

Total Strecke Asuncion - Villa Montes: 875km


Tag 9 (20.1.2024)

Ich schlafe schlecht. Unglücklicherweise ist schon am Abend der Strom ausgefallen und mit ihm die Klimaanlage. So leide ich einmal mehr unter der nächtlichen Hitze. Nach gediegenem Frühstück packe ich alles zusammen. Kurz bevor ich mein Zimmer verlasse, schaltet sich der Strom und die Klimaanlage wieder ein. Ist ja klar!

Beim Wetter hingegen habe ich grosses Glück! Nur 32 Grad werden heute erwartet und zudem sollte es bewölkt sein. Aber nicht nur das. Ein leichter Rückenwind schiebt mich an. Nach den endlos langen, schnurgeraden und topfebenen Strassen Paraguays ist die Strasse jetzt ein wahrer Genuss! Sie schlängelt sich um und über die Hügel von Ausläufern der Anden und man hat eine herrliche Sicht auf die üppige und tropische Vegetation. Es ist malerisch!

Die Luft jedoch ist richtig feucht und aufgrund der teilweise zähen Steigungen komme ich auch heute ordentlich ins Schwitzen. Dank dem leichten Rückenwindchen komme ich aber trotz hügeligem Terrain gut voran und das ist auch wichtig, denn das nächste Städtchen Camiri liegt gut 160 Kilometer von Villamontes entfernt. Dies muss an diesem Tag angesteuert werden, denn andernfalls muss ich mich wieder mit dem engen Zelt begnügen, und das will ich unbedingt vermeiden!

Nach 162 geleisteten Kilometern und knapp 12 Stunden Fahrt erreiche ich beim dritten Anlauf ein Hotel, welches zum Glück noch ein freies Zimmer für mich übrig hat. Ein schönes geräumiges Zimmer mit Strom und funktionierender Klimaanlage. Das ist perfekt und es ist die erste Nacht seit langem, in der ich mal wieder durchschlafen kann. Und das, obwohl ich am Abend noch starke Magenschmerzen und Blähungen verspürt hatte.

Strecke: 162km, Übernachtungshöhe: 810 M.ü.M


Tag 10 (21.1.2024)

Am Morgen habe ich immer noch einen flauen Magen. Nach kleinem Frühstück, doppeltem WC-Gang und dem Einwurf einer entsprechenden Tablette ist das Problem aber weitgehendst gelöst, und ich verlasse das Hotel. Da ich am Nachmittag von der Hauptstrasse abzweigen werde und anschliessend für zwei Tage auf einer Schotterstrasse weitab vom Schuss unterwegs sein werde, muss ich nun hier noch Vorräte kaufen. In der Schweiz wäre das in jedem noch so kleinen Coop Pronto ohne Probleme möglich. Doch hier ist das nicht ganz einfach. Nach einer Weile habe ich jedoch Brot, Nutella, Nüsse, Oliven und Oreos gefunden und hoffe, davon die zwei nächsten Tage satt zu werden.

Nach 12:00 Uhr erreiche ich eine kleine Siedlung, wo ich an einem Strassenstand etwas Zmittag essen kann. Es gibt das gleiche wie schon am Vorabend: Hühnchen mit Reis. Geschmacklich nicht das beste Essen, das ich je gehabt habe, aber preislich kann es ganz vorne mitmischen.

Ich kann es kaum glauben als die mollige Dame lediglich 10 Bolivianos (umgerechnet 1.25 Franken) verlangt. Kurz bevor ich mich wieder auf den Sattel schwinge, hält noch ein Auto und bei der Fahrerseite wird das Seitenfenster runtergekurbelt. Der Fahrer streckte mir eine 10 Boliviano-Note ins Gesicht und sagt, ich solle mir hier noch Wasser kaufen. Ich lehne zuerst dankend ab, doch der Bolivianer besteht darauf und so komme ich seinem Wunsch natürlich gerne nach und tausche die Note gegen eine grosse 3-Literflasche ein. Auf der Weiterfahrt wird mir sogar noch aus einem fahrenden Auto Wasser angeboten. Bolivien gefällt mir immer besser!

Gegen 16:00 Uhr erreiche ich Ipita, der Ort, an dem ich nun die Hauptstrasse verlassen werde und gut 180 Kilometer auf einer Gravelstrasse (Kiesstrasse) in Richtung Zentralbolivien vordringen will. In einem kleinen Shop, der nur ein paar Dutzend verschiedene Produkte führt, kaufe ich noch 4 Liter Wasser, denn es wird nun länger nichts mehr kommen. Die 80 Kilometer bis Ipita gestalten sich aufgrund der zu bewältigenden Höhenmeter und des Gegenwindes kräftezehrend. Doch es ist nichts in Vergleich dazu was später noch kommen würde…

Auf der Schotterstrasse komme ich nur sehr langsam voran mit meinem schweren Gepäck. Ich muss mich sehr konzentrieren, um nicht in grössere Steine oder Sandfelder hinein zu fahren. Gleichzeitig ist  die Landschaft dermassen idyllisch, dass ich diese Strapazen gerne in Kauf nehme.

Ganz alleine fahre ich gemächlich durch die grünen Hügel und geniesse immer mal wieder einen schönen Weitblick in die menschenleere und völlig unberührte Weite. Nur selten kommt mal ein Motorrad des Weges. Am Abend hechle ich dann noch 400 Höhenmeter bergauf. Mit dem über 20 Kilogramm schweren Gepäck ein echter Kampf, doch vergesse ich bei der Aussicht auf die schönen grünen Hügel, welche nun in Abendlicht getaucht sind, meine brennenden Oberschenkel.

Kurz bevor es dunkel wird, erreiche ich mit 1150 M.ü.M den höchsten Punkt des kleinen Passes und finde auch sofort eine ebene, vegetationsarme Stelle, wo ich mein Zelt aufstellen kann. Bei Mondschein zehre ich erstmals von meinen Vorräten, welche ich mit viel Mühe hier hinauf geschleppt hatte. Danach bin ich reif fürs Bett und fläzte mich todmüde ins Zelt. Doch schlafen darf ich noch nicht, ich muss zuerst noch die 2 vergangenen Tage schriftlich festhalten, was über eine Stunde dauert.

Strecke: 106 km, Übernachtungshöhe 1150 M.ü.M.


Tag 11 (22.1.2024

Ich schlafe nicht schlecht, denn die Nachttemperaturen sind endlich wieder auf ein erträgliches Niveau zurück gegangen.
Beim Zusammenpacken und Frühstücken stören mich Wildbienen, die anscheinend Gefallen an mir und meiner Ausrüstung finden. Anfangs sind es nur einige wenige, am Schluss aber cruisen und krabbeln einige Dutzend Wildbienen um und auf meiner Ausrüstung herum und verzögern die Packarbeiten. Um 7:40 kann ich die Bienen schliesslich abhängen und weiter rollen.

Langsam holpere ich abwärts und verliere die Höhenmeter, welche ich am Vorabend gemacht habe. Dabei suche ich mir zwischen den Steinen und Sandfeldern eine möglichst optimale Linie und versuche zwischendurch auch mal den Blick weg von der Strasse auf die Landschaft zu lenken. So bietet sich mir nämlich immer wieder ein atemberaubender Anblick!

Man hört Insektengezirpe und Vögel, die Geräusche von sich geben, die an einen tropischen Regenwald erinnern. Dazu kommt das Geräusch meiner Räder, welche sich durch das unwirtliche Gelände quälen. Sonst ist es komplett ruhig. Der Untergrund ist wirklich sehr anspruchsvoll, demensprechend langsam ist mein Vorankommen.

Mein Velo, das ohne jegliche Federung ausgestattet ist, ist für das Befahren solcher Strassen nicht geeignet. Trotzdem bin ich mir immer noch sicher, dass es ein guter Entscheid war, diese Route genommen zu haben, dies aus 3 Gründen: 1. ist diese Route bestimmt schöner als der Hauptstrasse entlang zu fahren 2. Ist die Hauptstrasse um 120 Kilometer länger und 3. würde die Akklimatisierung an die Höhe, die bald folgen würde auf dieser Route besser sein. Aufgrund dieses Teilstücks habe ich auch den Gepäckträger fürs Vorderrad mitgenommen und montiert, denn so kann ich das Hinterrad entlasten und das Gewicht besser auf die beiden Räder verteilen.

Am Mittag werde ich von einem tropischen Monsunregen heimgesucht. Darunter leidet vor allem die Strasse. Der rötliche Sand wird zu rötlichem Schlamm und ich werde weiter gebremst. Ich rutsche und spule weiter und gönne mir nach gerade einmal 34 geleisteten Kilometern eine Mittagspause.

Der ganze Nachmittag führt mich die Route mehr oder weniger einem Fluss entlang. Es geht dazwischen immer wieder steil bergauf und bergab. Dazwischen hat man immer wieder schöne Aussicht auf den braunen Fluss, der sich zwischen den grünen Hügeln durchs Tal schlängelt.

Landschaftlich also die reinste Idylle, - für meine Beine, meinen Hintern und das Velo jedoch der reinste Alptraum!

Der Tag neigt sich dem Ende zu und ich habe erst gut 70 Kilometer geschafft, trotzdem fühle ich mich als hätte ich gerade die weiteste Etappe meiner bisherigen Tour hinter mir. Die Strasse wird auch nicht besser, noch mehr Sorgen bereiten mir allerdings die dunkeln Regenwolken am Horizont!

Es beginnt leicht zu regnen und es ist am Eindunkeln, als ich die Siedlung Masicuri erreiche. Hier will ich meine Wasserreserven auffüllen und im Optimalfall eine Unterkunft aufstöbern. Masicuri ist nicht mehr als eine Ansammlung von ein paar ärmlichen Hütten. Trotzdem finde ich einen kleinen Laden, wo ich 6 Liter Wasser kaufen kann. Dabei frage ich die Verkäuferin, ob es hier irgendwo eine Unterkunft habe. „Nein,  aber ich könne im Zimmer ihres Vaters schlafen - gegen ein kleines Entgelt“, antwortete die Frau.

Eine Stunde später sitze ich mit zwei anderen Männern an einem Holztisch und mampfe meine Nutellabrote. Es ist mittlerweile stockfinster geworden und der Regen trommelt auf das Wellblechdach über mir. Das Wort «froh» beschreibt nicht ansatzweise, wie ich mich in dem Moment fühle. Ich habe zwar schon gemütlichere Wohnzimmer von innen gesehen, doch ist mir gerade sehr wohl in meiner Haut. Nicht auszudenken wie es wäre, jetzt irgendwo alleine im Dreck mein Zelt aufbauen zu müssen!

Strecke: 76km, Übernachtungshöhe: 750 M.ü.M.

Tag 12 (23.1.2024)

Im Traum holpere ich weiter über endlose Schlammpisten. Um 6:15 wird der Traum dann leider Wirklichkeit. Das Städtchen Vallegrande liegt zwar nur 90 Kilometer entfernt, doch diese 90 Kilometer werden äusserst hart werden und ich will es unbedingt dorthin schaffen an diesem Tag! Darum starte ich früh. Der Tag beginnt mit einigen flachen Kilometern, bevor das Terrain anfängt zu steigen.

Der Aufstieg, der vor mir liegt, ist vergleichbar mit der Höhenmeterdifferenz zwischen Altdorf und dem Gotthardpass. Die Fahrt auf den Gotthard ist schon ohne Gepäck und auf asphaltierten Strassen nicht gerade die entspannteste Angelegenheit. Das was ich heute vor mir habe, ist dann aber definitiv eine harte Angelegenheit. Meter für Meter arbeite ich mich aufwärts durch die tropische Vegetation. Die Musik in den Ohren und der fantastische Ausblick tragen dazu bei, meine Motivation oben zu halten.

Mit zunehmender Höhe wird zwar die Strasse ein wenig besser und mein Gepäck leichter, dafür aber andererseits mein Körper müder und so kann ich mein Tempo nicht signifikant erhöhen.

Um 15:00 Uhr bin ich dann endlich erschöpft oben auf 2440 M.ü.M angelangt. Es ist kühl und ich muss das erste Mal auf dieser Reise meine Mammutjacke, welche zuunterst im Gepäck verstaut ist, herausoperieren. Danach gehts auf der Holperpiste wieder nach unten und ich verliere wieder an Höhe. Für die 15 Kilometer Abstieg benötige ich fast eine Stunde, da ich immer wieder gefährlichen Löchern und grossen Steinen ausweichen muss.

Darauf folgt ein erneuter Aufstieg von 840 Höhenmetern. Nochmals ein halber Gotthardpass, das hätte wirklich nicht sein müssen! Es grenzt an ein Wunder, dass das Velo dieser enormen Belastung standhält. Doch dann passiert es! Die enormen Kräfte, die zwischen meinen Klickschuhe und den Pedalen wirken, sind sehr gross, zu gross. Irgendwie habe ich es geschafft die Schrauben, welche das Klickplättchen am Schuh befestigen, aus ihrer Verankerung im Schuh zu reissen. Das ist nicht günstig, aber es gibt Schlimmeres und so krieche ich weiter den Berg aufwärts.

Es ist schon stockfinster und ich bin total am Ende, als ich erneut die Passhöhe erreiche. Von hier oben sehe ich in der Ferne die Lichter von Vallegrande.

Bald habe ich es geschafft! Noch 10 Kilometer holpere ich auf dem Kiesweg abwärts. Da die Strasse nun nur noch durch den schwachen Lichtkegel meiner Velolampe erkennbar ist, fahre ich sehr langsam und muss höllisch aufpassen.

Nach total 182 Kilometer Gravel habe ich dann endlich wieder Asphalt unter den Rädern! Ich bin todmüde und erschöpft, als ich einige Kilometer später endlich Vallegrande erreiche. 15 Stunden habe ich gebraucht für die 91 Kilometer. Noch nie sind 91 Kilometer so hart gewesen, wie am heutigen Tag.

Das Städtchen ist sehr verlottert und wirkt ein wenig ausgestorben. Ich bin froh, dass es trotzdem ein passables Hotel hier gibt und ich in einem nahen Restaurant noch eine Pizza essen kann. Zudem sind die Leute vom Hotel und der Pizzeria sehr freundlich und gesprächig und ich kann im grossen Stil Gebrauch machen von meinen knappen Spanischkenntnissen.

Der 2. Teil der Tour ist nun geschafft. Doch bis Lima liegen noch immer ca. 2400 Kilometer vor mir, was vergleichbar ist mit der Strecke von Wädenswil nach Istanbul.

Strecke: 91 Km, Übernachtungshöhe 2030 m.ü.M

Total Strecke Asuncion - Vallegrande: 1‘309 Km

Tag 13 (24.1.2024)

Das Frühstück ist im Zimmerpreis von umgerechnet 15.- Franken inbegriffen, so habe ich keine grossen Erwartungen. Auch das bereitstehende Buffet ist sehr mickrig. Doch ich kann es kaum glauben, als mir von der herzlichen Hotelbesitzerin Spiegeleier, Würstchen, ein warmes Käsesandwich und eine Spinatomelette serviert werden. Ein premium Start in den Tag. 

Um 10:00 Uhr starte ich dann mit dem sportlichen Teil. Auf einer schön asphaltierten Strasse geht es weiter durch die endlos scheinende Hügellandschaft. Der Tag ist grau in grau, die Temperaturen angenehm und die Vegetation ist geprägt von dornigen Büschen, kleinen Bäumen und einige Kakteen.

Ich sammle viele Höhenmeter und komme schliesslich um 18:30 in einem grösseren Dorf namens Comarapa an. Die Preise in dieser Bergregion sind wirklich im Keller. Für mein Zimmer, welches in Ordnung ist, zahle ich gerade einmal 60 Bolivianos (7.50 Franken). Ich habe noch Zeit, um mich um den kaputten Schuh zu kümmern. Da mein Klickschuh 4 Löcher hat, um Schrauben zu befestigen und nur 2 davon kaputt sind, kann ich das Plättchen nun in den noch intakten Löchern verankern und somit das technische Problem beheben.  

Beim Rückweg vom Nachtessen werde ich noch überredet in einen Zirkus zu gehen. Das kleine Zelt ist rappelvoll. Mir imponiert die Vorstellung aber nicht wirklich, und so stehle ich mich nach einer Stunde wieder davon. 

Strecke: 104 km, Übernachtungshöhe: 1830 m.ü.M. 

Tag 14 (24.1.2024)

Der Tag beginnt mit einem zähen Aufstieg auf 3000 Meter. Etwa in der Hälfte überquert eine haarige handgrosse Kreatur mit acht Beinen die Strasse.

Der Gedanke an eine wahrscheinlich folgende Zeltübernachtung heute Abend lässt mich schaudern.
Um 13:00 Uhr erreiche ich dann endlich die Passhöhe. Ein idyllisches Passrestaurant, wo ich mir ein Mittagsmenü hätte gönnen können, gibts natürlich nicht. Nicht mal ein Schild kann ich ablichten. Doch wenigstens hat es in der absolut maroden Siedlung, welche zur Hälfte aus teilweise verlassenen Lehmhütten besteht, einen kleinen Laden, wo ich ein paar trockene Brote, Schokoriegel und Wasser kaufen kann. 

Bei der langen Abfahrt fällt mir plötzlich auf, dass mir schon seit relativ langer Zeit kein Fahrzeug mehr entgegen gekommen ist. Wenig später sehe ich alle LKWs, die mich am Morgen überholt haben in einer mehrere hundert Meter langen Kolonne stehen. Die Motoren sind alle abgestellt und die meisten Fahrzeuge verlassen. Ich frage einen Chauffeur, was denn das Problem sei. Er antwortet: „La carretera esta bloqueado“ und bestätigt damit meine Vermutung. In den letzten Tagen haben mir immer wieder Leute von den blockierten Strassen erzählt und gemeint, ich solle aufpassen. Noch am Vorabend habe ich im Restaurant einen Fernsehbeitrag darüber gesehen.  

Die Blockade, an die ich komme, ist inmitten eines Dorfes. Vor dem LKW ganz vorne in der Reihe sind Pneus und Metallteile aufgestapelt und ein blauer Lastwagen steht quer über der Strasse. Dahinter hats noch eine Reihe grosser Steine, die auf der Strasse verteilt wurden. Wie mühsam das sein muss für die LKW-Fahrer und die Reisecars. Ich frage mich auch, warum die Fahrer keinen Widerstand leisten und das Zeug nicht gemeinsam von der Strasse räumen. Glücklicherweise kann ich mein leichtes Transportmittel einfach über die paar Pneus und Steine tragen und danach meine Abfahrt fortsetzen.

Unten angekommen begrüsst mich gleich wieder der nächste Pass. Nochmals 1000 Höhenmeter. Bei der Routenplanung hat das so harmlos ausgesehen mit ein paar Zacken im Höhenprofil. Doch nun in der Realität bedeutet so ein Zack eine Bergauffahrt von mehreren Stunden. Als auf meinem Navigationsapp 3060 Meter steht, gehts dann erneut abwärts. Jetzt bin ich definitiv bedient mit Pässefahrten, doch die nächste Unterkunft liegt noch nicht hier, sondern hinter dem nächsten Berg. Da ich unter keinen Umständen in dieser kühlen Gegend neben den Vogelspinnen mein Zelt aufschlagen will, quäle ich mich noch den 3. Pass hinauf. 650 Höhenmeter später ist es schon stockdunkel und ich erreiche mit 3‘220 m.ü.M. den höchsten Punkt des Tages.  

Nach gut 12 Stunden Fahrt erreiche ich dann erschöpft aber total froh und glücklich die nächste preisgünstige Unterkunft. Nach einer warmen Mahlzeit falle ich ko ins Bett. Zum Glück konnte ich am Vortag den Klickschuh flicken, denn sonst hätte ich die knapp 4000 Höhenmeter heute nie geschafft. 

Strecke: 135km, Übernachtungshöhe: 2850 m.ü.M. 

Tag 15 (26.1.2024)

Ich bin noch keinen Kilometer unterwegs, da muss ich schon die nächste Strassenblockade überwinden. Das ist aber bei weitem nicht die letzte Blockade, die ich an diesem Tag passieren werde. Beim Aufstieg auf den 3‘670 Meter hohen Pass sind die Strassen wie leer gefegt. Ich muss froh sein, wenn ich mal einen Kilometer machen kann, ohne mein Velo über irgend ein Hindernis hieven zu müssen. Die kleinen aber frequentierten Blockaden bestehen meist aus Ästen, Steinen oder ganzen Bäumen, die absichtlich auf die Strasse gefällt wurden.

Bei den Hindernissen sind meist Leute aus den umliegenden Dörfern versammelt. Im Hotel wurde mir gesagt, dass die Sperren schon seit 5 Tagen bestehen und die Leute wegen irgendeiner aktuellen politischen Sache auf diese Weise protestieren. Die versammelten Dorfbewohner sind aber freundlich und lassen mich immer passieren.  

Diese Bergregion scheint sehr arm zu sein. Viele umliegende Hütten, die ich sehe, sind aus Steinen, Wellblech, Holz und Erde erbaut. Hier wird deutlich, dass Bolivien das ärmste Land Südamerikas ist und fast 2/3 der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. 

Gegen 15:00 Uhr erreiche ich die grösste und eine der letzten Blockaden. Es hat schätzungsweise hundert Leute auf der Strasse, die sich in Zelten oder unter Plastikplanen eingerichtet haben. Dazwischen hat es diverse grosse Steine.

Kurz darauf verlasse ich die Bergstrasse und komme wieder in die Zivilisation, wo der Spass mit den mühsamen Blockaden endlich ein Ende hat. 30 Kilometer weiter erreiche ich ein Hotel, wo ich die Abendstimmung mit schönem Ausblick geniessen kann.

Strecke: 112 km, Übernachtungshöhe: 2‘710 m.ü.M.  

Tag 16 (27.1.2024)

Schon um 5:00 Uhr morgens werde ich von bissigen Strassenhunden gejagt, während ich über Pflasterbelag holpere. Die Strasse, der ich folge, wird bei Anbruch des Tages immer schlechter.

Kurz nach 7:00 Uhr werden dann meine Befürchtungen wahr. Ich habe mich zu stark auf meine Navigationsapp verlassen - ein Fehler. Die Strasse, der ich gefolgt bin erweist sich als Sackgasse. Ein Fluss und 500 Meter trennen mich von der Asphaltstrasse auf der es weitergehen soll. Weit und breit gibt es keine Brücke. Da der Fluss nicht gerade viel Wasser führt und es zwischen den einzelnen Rinnsalen immer wieder Kiesbänke hat, entscheide ich mich für eine Querung. Eine mühsame und zeitintensive Angelegenheit.

Das Rinnsal habe ich von weitem ein wenig unterschätzt. 2 der Flussarme, die ich einmal mit meinem Gepäck und einmal mit meinem Velo in der Hand quere, erweisen sich als kritisch. Ich stehe bis zu meinen Oberschenkeln im Wasser und die Strömung ist stark. Ich muss mich enorm konzentrieren das Gleichgewicht zu halten und mit meinen nackten Füssen irgendwie Halt auf den spitzigen Steinen des Flussbettes zu finden. Es hat nicht viel gefehlt und es hätte mich umgerissen. Doch nach einer knappen Stunde ist das Flussüberquerungsabenteuer erfolgreich abgeschlossen und die Fahrt kann auf meinem Lieblingsuntergrund weitergehen. 

Ich geniesse noch die letzten paar flachen Kilometer, vor dem bevorstehenden Monsterberg. Als ich die Passstrasse erreiche, muss ich zuerst auf mein Handy schauen und abchecken, ob ich hier wirklich richtig bin, denn eine Strasse sehe ich nicht. Stattdessen hat es hunderte Leute, die herumsitzen, stehen, irgendwelches Grünzeug und Geäst schleppen oder in selbstgebauten Unterständen liegen. Einen Augenblick später realisiere ich, dass ich richtig bin und mitten auf der Bundesstrasse nach La Paz stehe. Der «Blockadenspass» ist leider doch noch nicht überstanden!

Diese Strasse scheint wichtiger zu sein, als die an den Tagen zuvor, denn was hier blockiert wird übertrifft alles, was ich bisher gesehen habe bei Weitem. Beim Aufstieg fahre ich an Dutzenden gestrandeten Reisecars und hunderten Lastwagen vorbei. Die Blechlawine zieht sich sage und schreibe 15 Kilometer den Berg hinauf!

Zwischen den stehenden Fahrzeugen herrscht reger Betrieb. Fahrer dösen unter ihren Trucks, die anderen machen Gesellschaftsspiele und wieder andere sind am Essen. Händler ziehen an den Fahrzeugen vorbei und versuchen ihre Dinge loszuwerden. Durch die Lücken zwischen den majestätischen Transportgeräten kurven Motorräder und bringen Fussgänger von A nach B. Ein anderer Geschäftszweig ist es Seile über die Strasse zu spannen und ein Passiergeld von einem Boliviano einzutreiben.  

Irgendwann erreiche ich dann den letzten LKW und es wird auf einen Schlag ruhig und ich bin allein. Doch fühle ich mich nicht so gut. Ab 3500 Meter spüre ich, wie die Luft dünner wird und es mir die Kraft aus den Muskeln saugt. Obwohl die Steigung nicht allzu stark ist, bewege ich mich langsam wie eine Schnecke vorwärts. Zudem belasten mich die aufkommenden Blähungen zunehmendes. Als ich die 4000 Meter überschreite fängt es dann auch noch an zu regnen und ich friere. Bei einer Höhe von 4102 M.ü.M erreiche ich die erste Stufe des Monsterberges. In diesem Moment bin ich mir sicher etwas Ernsthaftes eingefangen zu haben, denn die Blähungen sind unerträglich geworden. Doch was soll ich tun? Die nächste Unterkunft liegt gemäss Google Maps noch ca. 100 Kilometer weit entfernt und eine Vergiftung durch eine kalt-nasse Wildcampnacht auskurieren zu wollen ist eine Illusion. 

Kurz darauf fahre ich durch eine grössere Siedlung. An einem schäbig wirkenden Häuschen sehe ich ein Schild, wo „alojamiento“ steht. Eine Unterkunft, ein Geschenk des Himmels! Ein nur 4.- Franken teures Geschenk. Nachdem ich mich auf dem Bad entleert habe und 2 Tabletten gegen Durchfall eingeworfen habe, kuschle ich mich in mein Bett und schlafe.  

Strecke: 94 Km, Übernachtungshöhe: 4000 m.ü.M. 

Tag 17 (28.1.2024)

Als ich am Morgen aus dem Haus trete, um das ausserhalb gelegene ekelerregende WC-Häuschen aufzusuchen, bietet sich mir kein schöner Anblick.

Es ist grau, es regnet und es ist kalt. Auch drinnen habe ich während der Nacht in meinem ungeheizten Zimmer trotz Jacken gefroren. Das war besonders schlecht, denn über Nacht habe ich Fieber bekommen. Jetzt fühle ich mich kraftlos und überhaupt nicht fit. Ich habe Gliederschmerzen, keinen Appetit, leichte Kopfschmerzen und Blähungen. Es ist klar. Unter diesen Umständen kann ich nicht weiterfahren. So verbringe ich einen sehr ungediegenen und nicht enden wollenden Tag mit Fieberträumen im Bett. Ein Tiefpunkt dieser Reise. Am Abend nehmen zudem noch die Kopfschmerzen zu. Ein ungutes Gefühl, denn ich weiss nicht, ob die Kopfschmerzen und die anderen Krankheitssymptome auch mit der Höhe zusammenhängen könnten. 

Strecke: 0km, Übernachtungshöhe: 4000 m.ü.M. 

Tag 18 (29.1.2024)

Als ich um 4:30 schweissgebadet erwache, geht es mir besser. Ich fühle mich zwar noch immer schwach und angeschlagen. Da ich aber unter keinen Umständen noch länger in diesem muffigen kalten Loch ausharren will, entscheide ich mich für eine Weiterfahrt. Lieber fahre ich schwach und angeschlagen 96 Kilometer zur nächsten grösseren Siedlung, als noch einen Tag in diesem Loch herumzuliegen.

So geht die Fahrt bei Tagesanbruch nach dieser 37-stündigen Zwangspause endlich weiter. Ich bin extrem froh von hier wegzukommen. Stufenweise schleiche ich nun auf den vorerst höchsten Pass der Tour. Die spektakuläre hügelige Felslandschaft und die Motivationsmusik in meinen Ohren lassen die Krankheit vergessen. Ich staune selbst darüber, wie gut ich mich unter den entsprechenden Umständen fühle. Gegen 11:00 Uhr erreiche ich dann mit 4‘486 m.ü.M den höchsten Punkt. Von der Höhe her entspricht das in etwa dem Matterhorn.

Hier oben ist es kalt und ich friere an meine Finger. Ich kann es kaum glauben, dass ich mich 2 Wochen zuvor noch überhitzt im Schlammbad gewälzt habe. 

Bei der Abfahrt gerate ich noch in einen Regenschauer.

Bald schon verlasse ich die Berge und komme in eine wüstenähnliche Ebene, welche von Gräsern und mageren kleinen Büschen geprägt ist. Es ist sonnig und die Temperaturen liegen im angenehm kühlen Bereich. 

Um 14:00 Uhr sind dann die 96 Kilometer bis zur nächsten Siedlung geschafft, doch ich fühle mich noch im Stande weiter zu fahren. So mache ich einen Halt in einem Restaurant und fahre dann noch bei Sonnenschein 60 Kilometer weiter. In Lahuachaca finde ich sehr erschöpft aber dementsprechend glücklich eine deutlich einladendere Unterkunft, als es die letzte gewesen ist. 

Strecke: 156km, Übernachtungshöhe: 3800 m.ü.M. 

Tag 19 (30.1.2024)

Bei Sonnenaufgang bin ich zurück auf der doppelspurigen Ruta National 1. Die Strasse pflügt sich durch das relativ flache zentrale Hochland vorbei an Siedlungen, welche aus unverputzten und oft unfertigen Backsteinhäusschen bestehen. Nach diesen langweiligen 100 Kilometern erreiche ich dann die hässlichen Aussenbezirke und Vorstädte von La Paz. Auf den darauf folgenden 20 Kilometern herrschen chaotische Zustände in Kombination mit unerträglichem Lärm. Ohne meine Air Pods mit Noisecancelling würde ich wahrscheinlich durchdrehen.
Plötzlich endet die flache Ebene und ich befinde mich vor einem Abgrund. Von dort habe ich eine atemberaubende Aussicht auf die im Tal liegende weitläufige Grossstadt La Paz. (Dort befindet sich der Regierungssitz, es ist aber nicht die offizielle Hauptstadt von Bolivien).

Die Vorfreude ist riesig. Nicht weil ich solch gewaltige Häuseransammlungen liebe und auch nicht, weil ich es kaum erwarten kann die Sehenswürdigkeiten hier mit meinem Iphone abzulichten. Nein, meine Vorfreude ist riesig, weil mir eine Gönnung von anderem Ausmass bevorsteht. In den letzten paar Tagen sind Gönnungen meines Erachtens definitiv zu kurz gekommen und so habe ich mich bei der Wahl der heutigen Unterkunft nicht lumpen lassen. Ich habe eine Übernachtung in einem der besten Häuser der Stadt, wenn nicht sogar dem Besten gebucht. 

Als ich um 16:00 Uhr mein Zimmer des 5-Sterne Hotels betrete, kann ich es kaum glauben. Ich habe mir bei vergangenen Touren schon von Zeit zu Zeit mal ein gediegenes Zimmer geleistet. Doch dieses hier ist ein anderes Level. Die fast 60 m2 grosse Deluxe Suite verfügt über einen riesigen Wohnbereich, ein grosses Schlafzimmer, ein geräumiges Badezimmer, eine Küchenzeile, Minibar und 2 Flachbildfernseher.

Was für ein riesiges Privileg ich doch habe, hier nächtigen zu können! Nun geniesse ich den Luxus in vollen Zügen. Endlich mal wieder ein Zimmer, in welchem keine Sauna- oder Kühlschrank-Temperaturen herrschen, endlich mal wieder eine warme Dusche, endlich mal wieder ein sauberes WC, endlich mal wieder ein leistungsstarkes Wlan. Ich hätte heulen können vor Glück.

Am späteren Nachmittag gehe ich in einen grossen Supermarkt (dem ersten seit Asuncion) und fülle meine Lebensmittelvorräte auf. Später wasche ich meine Kleider in der Waschküche, reorganisiere meine Ausrüstung und plane den nächsten Tourenabschnitt. Am Abend geht dann der Luxus im noblen hoteleigenen Restaurant weiter. Ich muss mich nicht auf einen brüchigen Plastikstuhl setzen, ich muss mein Getränk nicht aus einem Plastikbecher trinken, ich bekomme keinen schmutzigen Plastikteller vorgesetzt, ich muss keine Angst vor möglichen Verschmutzungen haben und die Speise ist nicht nur essbar sondern formidabel! So bin ich einfach nur unglaublich glücklich. Gestern Morgen war ich noch halbkrank in dem heruntergekommenen Loch und jetzt bin ich wieder gesund, an einem superidyllischen Ort und zeitlich auf Kurs. So endet der 3. Teil dieser Tour erfolgreich.

Strecke: 127km, Übernachtungshöhe: 3‘520 M.ü.M.

Total Strecke Asuncion - La Paz: 2‘037 Km

Tag 20 (31.1.2024)

Nach einem premium Frühstück gehts dann zurück ins Verkehrschaos von La Paz. Ich fahre vorbei an diversen Marktständen und muss aufpassen, dass ich bei den halsbrecherischen Fahrmanövern der Autos und Busse nicht über den Haufen gefahren werde.

 

Auf extrem steilen Strassen manövriere ich mich mit einem 600 Höhenmeteraufstieg wieder raus aus dem Stadtkessel. Dabei sehe ich immer wieder Auswirkungen der Strassensperren. Lange Autokolonnen stehen nämlich vor den Tankstellen - es gibt keinen Diesel.

Gegen Mittag passiere ich dann die letzten Häuser des urbanen Gebietes. Die nächsten 65 Kilometer auf der doppelspurigen Bundesstrasse sind wenig spektakulär. Einzig die schneebedeckten 5- und 6-Tausender, die ich zu meiner Rechten erkennen kann, sind ein Highlight.

 Am späteren Nachmittag kommt zügiger Gegenwind auf. Doch das ist nicht mein Hauptproblem. Fiese Blähungen und ein Gefühl von Übelkeit bremsen mein Vorankommen noch zusätzlich und drücken meine Motivation in den Keller. Schon wieder eine Vergiftung? Nein, also das wäre zu viel Pech. Doch als ich gegen 18:30 die nächste Unterkunft erreiche, sieht es düster aus. Ich bin sehr erschöpft und lege mich sofort auf mein Bett, nachdem ich die Tür meiner Kammer hinter mir zu gemacht habe.

 Ich friere und ziehe all meine Thermowäsche und Jacken an, die ich habe und versuche mich unter der dicken Bettdecke zu wärmen. Doch es nützt alles nichts. Ich friere weiterhin und bekomme Fieber. Schlecht ist mir immer noch und ich leide unter Magenschmerzen. Eine Stunde später muss ich mich übergeben. Diese Prozedur wiederholt sich dann ein paar Mal. Es ist schrecklich. Noch selten habe ich auf einer Reise so gelitten. Gegen Mitternacht bin ich dann befreut von den schlimmsten Leiden, und ich kann endlich in Ruhe meine Fieberträume geniessen.

 Strecke: 89 Km, Übernachtungshöhe: 3‘850 M.ü.M

Tag 21 (1.2.2024)

Um 8:00 Uhr wache ich auf. Der Magen ist wieder intakt, das Fieber scheint gefallen zu sein und das Wetter ist gut. Ich fühle mich schwach und erschöpft. Trotzdem entscheide ich mich weiter zu fahren. So reisse ich mich zusammen und mache mich abfahrbereit. Als ich losfahren will, bemerke ich den platten Hinterreifen. Der erste Platten hat wirklich lange auf sich warten lassen. Doch ist dies nun ein wirklich mieser Zeitpunkt.

 Um 10:00 Uhr kann ich dann endlich losfahren. Ich habe kaum Kraft in den Beinen, bin müde und habe keinen Appetit. So komme ich nur elend langsam vorwärts. Gegen Mittag kündigt dann mein Darm noch eine dringende Entleerung an. Auch das noch. Es ist wirklich nicht mein Tag. Dabei ist die Landschaft schön und das kleine Strässchen, dem ich folge, hat fast keinen Verkehr.

Am Nachmittag habe ich dann das erste Mal eine schöne Sicht auf den Titicacasee. Der See ist so gross, dass ich trotz guter Sichtverhältnisse nicht überall das andere Ufer erblicken kann. Kein Wunder. Der Titicacasee ist der zweitgrösste See Südamerikas und mit seinen 8300 Quadratkilometern 15 mal so gross wie der Bodensee und fast 100 mal so gross wie der Zürichsee.

Trotz des sonnigen Wetters, den angenehmen 14 Grad und der schönen Landschaften, macht das Fahren keinen Spass. Ich habe keine Energie und der herrschende Seitenwind, der mich fast vom Velo bläst, gibt mir noch den Rest. So schaffe ich es an diesem Tag lediglich ins 75 Kilometer entfernte Escoma. Dort finde ich dann wieder eine ungediegene Unterkunft, die aber preislich jegliche Rekorde sprengt. Für umgerechnet 3.- Franken habe ich bis jetzt noch nirgends übernachten können.

Strecke: 75 Km, Übernachtungshöhe: 3‘850 M.ü.M.

Tag 22 (2.2.2024)

Der heutige Tag beginnt schon früh. Auch die Strassenhunde sind schon wieder fit und munter und rennen mir wieder fleissig nach. Ein besonders aggressiver Köter beisst mir dabei sogar 4 Löcher in meine linke Ortlieb-Tasche. Ein Ärgernis, aber lieber der blöde Vierbeiner beisst in meine Tasche, als in meine Wade.

Bald schon erreiche ich eine Barriere, wo sich 4 Polizisten die Füsse platt stehen. Ich bin froh, als man mir sagt, dass ich im kleinen Häuschen nebenan den Ausreisestempel bekommen werde. Schon seit La Paz war mir diese Route nicht ganz geheuer, denn es hatte sehr wenig Verkehr, ich hatte noch kein Auto mit peruanischem Kennzeichen gesichtet und auch Hinweisschilder gabs nirgends. Doch die Sorgen waren unbegründet und bald kann die Fahrt mit Stempel im Pass weitergehen. Kurz darauf kommt eine ganz schlimme Strasse mit einem äusserst groben steinigen Untergrund. Kein Wunder, tut sich kein peruanisches Fahrzeug diese Odyssee an. Ich brauche eineinhalb Stunden bis ich dann bei der halbverlassenen Siedlung an der effektiven Grenze ankomme.

Peru begrüsst mich mit einer top Asphaltstrasse, doch ein Migrationsbüro wäre mir lieber gewesen. Ich muss mich durchfragen, um zu erfahren, wo ich meinen Einreisestempel bekommen kann. So sagt man mir, dass ich ins Dörfchen Tilali fahren muss. Dies ist ein Umweg von 9 Kilometern weg von meiner Route. Wirklich sehr ärgerlich! Ich verstehe nicht, wie es so schwierig sein kann an der Grenze einfach ein Häuschen hinzustellen und ein Persönchen reinzusetzen, das mir den blöden Einreisestempel geben könnte. Ich weiss, dass ich diesen Stempelzirkus mitmachen muss. Ohne einen Stempel in ein Land einzureisen, das habe ich nur einmal gemacht und dann gab es dann wirklich einen Zirkus. Fast 3 Stunden nachdem die bolivianischen Grenzbeamten mein rotes Büchlein in der Hand hatten, haben es nun endlich auch die peruanischen Grenzbeamten in den Fingern. Nach diesem zeitfressenden Manöver kann ich endlich wieder Strecke machen. Wenigstens habe ich mit dem Grenzübertritt durch die Zeitumstellung noch eine Stunde gewonnen.

Ein malerisches kleines Strässchen windet sich nun am Ufer des Titicacasees entlang.

Am Nachmittag kommt noch die Sonne und Rückenwind unterstützt meine Beine. So machte das Kilometerabspulen mal wieder richtig Spass.

Am Abend verlasse ich dann den Titicacasee und komme auf eine wirklich schöne und unerwarteterweise sogar asphaltierte Nebenstrasse.

Es ist schon stockfinster, als ich immer noch 30 Kilometer vor mir habe bis zum geplanten Hotel. Ich hole nochmals alles aus mir raus und beisse auf die Zähne. So erreiche ich schliesslich halbtot nach fast 16 Stunden Fahrt die erste grössere peruanische Siedlung namens Azángaro. Das Hotel ist dann aber leider kein Hotel, sondern eher eine schäbige Herberge, aber Hauptsache es gibt ein warmes Bett.

Strecke: 194 Km, Übernachtungshöhe 3880M.ü.M.

Tag 23 (3.2.2024)

Als ich aufwache, erfreut zuerst einmal die super Aussicht auf die Anden mein Gemüt ;)

Um 9:30 habe ich bereits 25 Kilometer Gravel hinter mir und setze mich in ein Restaurant, um ein zweites Frühstück zu mir zu nehmen. Das tönt jetzt sehr idyllisch und man stellt sich vielleicht vor, dass ich nun aus einer Speisekarte etwas der köstlichen lokalen Speisen auswählen kann. Die Realität ist es aber nur semi idyllisch: Man geht ins Restaurant und fragt, was sie haben. Und egal ob Morgen, Mittag oder Abend, es gibt meistens nur das eine: Hühnchen mit Reis. So verschlinge ich bald das besagte Menü.

Weiter geht die Fahrt auf einem grossenteils schlechten und nur selten rechten Kiesweg in nordwestliche Richtung. Manchmal ist die Strasse so schlecht, dass ich schon mal für die nächste Wandersaison trainieren kann und absteigen muss. Aber der Ausblick, den man auf die umliegenden grasbewachsenen Hügel hat, ist atemberaubend.

Nach fast 60 Kilometern Schotterstrasse endet dann das Geholper und es geht bei Sonnenschein auf einer asphaltierten Strasse weiter. Die Fahrbahn führt leicht abwärts vorbei an den imposanten Grashügeln. Mit ein bisschen Musik von Bach im Ohr ein absoluter Traum.

Als die Sonne untergeht, erreiche ich endlich mal eine schöne Unterkunft bei einem Bauernhof. Am Abend werde ich noch köstlich bekocht - so macht das Ganze Spass.

Strecke: 100km, Übernachtungshöhe 4030 M.ü.M.

Tag 24 (4.2.2024)

An diesem Tag geht die Fahrt weiter auf der Hauptstrasse in Richtung Cusco. Die PE-3S steigt zuerst langsam auf 4338 Meter an. Danach schlängelt sie sich zwischen den majestätischen Grashügeln talabwärts.

Das Tal ist relativ stark bevölkert und es hat dementsprechend viel Verkehr. Doch wird es zunehmend auch zivilisierter und ich kann zweimal ins Restaurant gehen und muss nicht auf Plastikstühlen sitzen, nicht aus Plastikbechern trinken und nicht Reis mit Hühnchen essen.

Je weiter ich fahre, desto mehr Höhe verliere ich. Mit dem Höhenverlust kommen dann auch die Bäume, die Wärme und der Sauerstoff zurück. Letzteres ist dabei mit Abstand das wichtigste. Langsam spüre ich, wie die Energie, die in der letzten Woche oft zu wünschen übrig gelassen hat, in meinen Körper zurück kommt. So schaffe ich 146 Kilometer und komme bei Nachteinbruch in den kleinen Städtchen Urcos an.

Strecke: 146km, Übernachtungshöhe: 3160 M.ü.M.

Tag 25 (5.2.2024)

Ich benötige knapp 4 Stunden, um mich mit  Hunderten anderen Verkehrsteilnehmern ins 47 Kilometer entfernte Cusco hinaufzuarbeiten. Die Touristenstadt ist einwohnertechnisch ca. so gross wie Zürich und war einst die Hauptstadt des Inkareichs. Gegen 11:00 Uhr erreiche ich den Hauptplatz.

Danach gehts schon bald ins luxuriöse Hotel, wo ein feines Mittagessen auf mich wartet. Während tausende Touristen zur 3 Stunden entfernten Sehenswürdigkeit Machu Picchu strömen, gönne ich mir ein entspannten Nachmittag in der Stadt. Ich lasse die Kette meines Velos auswechseln, schlendere ein wenig durch die Altstadt und arbeite in einer Crêperie an meinem Bericht. Der Pausenhalbtag tut mir gut nach den Strapazen der letzten Tage.

Als ich mich gegen Abend wieder über den Hauptplatz (Plaza de Armas) bewege, muss ich wieder diverse Kaufangebote ablehnen. Wie so oft versuchen einige ein Gespräch anzufangen. Als ich dann bei einer Dame Mitte Vierzig erwähne, dass ich aus Zürich komme, ist sie hin und weg. Sie würde im Dezember nach Zürich reisen. Zuerst glaube ich ihr nicht, doch es scheint wirklich zu stimmen. Sie zeigt echtes Interesse an meiner Reise und Informationen zur Schweiz. Eine Stunde später sitzen wir zu dritt mit ihrem Sohn in einer kleinen Pizzeria und plaudern weiter. Das ist nun wirklich aussergewöhnlich. Freundschaftliche Kontakte zur lokalen Bevölkerung in Touristenhochburgen - das ist normalerweise unmöglich. Doch hier wird es Realität.

Ein wirklich nettes und unerwartetes Ende des vierten Teils der Tour. Nun trennen mich noch gut 1000 Kilometer von Lima. Das Ziel kommt näher.

Strecke: 48km, Übernachtungshöhe: 3440 M.ü.M.

Total Strecke: Asuncion - Cusco: 2‘689km

Tag 26 (6.5.2024)

Ich bin froh, dass das umfangreiche Frühstücksbuffet schon um 6:00 Uhr eröffnet ist. So kann ich beizeiten abfahren. Das ist wichtig, denn heute habe ich wieder einiges vor. Die ersten 50 Kilometer führen ohne grosse Berghindernisse weg von Cusco. Dabei nimmt der Verkehr stetig ab. Darüber bin ich froh, denn die Überholmanöver waren in den 2 vergangenen Tagen schon ab und zu kritisch gewesen.

Nach diesen tendenziell flachen 50 Kilometern gibt es eine lange Abfahrt. Nach fast 2 Wochen unterschreite ich mal wieder die 2000-Metermarke. Unten angekommen ist es heiss und trocken. In einer Pizzeria gönne ich mir eine Pizza zum Zmittag. Die Zeiten der Restaurants, in denen man nur Reis und Hühnchen essen kann, sind definitiv vorbei. Zum Glück! Nach der Mittagspause folge ich am Talboden ein paar Kilometer lang einem Fluss. Bei dem schönen Wetter, den spektakulären Landschaften und dem wohltuenden Sauerstoff in meinen Lungen ist es ein ausgelassenes Pedalen.

Gegen 14:00 Uhr nehme ich dann den Killer-Berg in Angriff. Es ist schon stockdunkel, als ich immer noch einen halben Gotthardpass vor mir habe. Das Fahren bei Dunkelheit hat etwas an sich. Es ist irgendwie abenteuerlich, ein wenig unheimlich und man fühlt sich noch weiter vom Alltag entfernt.

Gegen 19:30 rennt mir wieder mal eine Bande Strassenhunde hinterher. Ich bin ganz in den Krimi vertieft, der aus meinen Airpods ertönt, als ich den Biss spüre. Sofort reisse ich den Fuss aus meinen Klickpedalen und versuche dem Angreifer einen Tritt zu verpassen. Adrenalin steigt in mir hoch. Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt hat mich wirklich ein Strassenhund oberhalb meines rechten Knöchels ins Bein gebissen. Als ich die Wunde begutachte, stelle ich zum Glück fest, dass sie relativ harmlos ist. Doch sie ist offen, was bedeutet, dass ich mich weiter darum kümmern muss. Mir ist bewusst, dass dieser kleine Biss in naher Zukunft Zeit und auch Geld fressen würde. Darauf hätte ich wirklich verzichten können. Aber ich kann nichts mehr daran ändern und muss nun weiter bergauf hecheln.

Mit leichten Schmerzen erreiche ich schliesslich um 21:20 die Passhöhe auf 4000 Meter über Meer. Nun steht noch eine Abfahrt in die Zielstadt Abancay an, die vergleichbar ist, mit der Abfahrt vom Gotthardpass nach Erstfeld. Es ist kalt, die Lichtverhältnisse sind schlecht, ich bin müde und stehe schon halb neben mir. So muss ich mich für die nächsten 80 Minuten sehr zusammenreissen und konzentrieren.

Ich bin fix und fertig, als ich mein im Voraus gebuchte 3-Sterne Hotel erreiche. Beim Check-in erwähne ich den Biss. Die Dame an der Rezeption meint, ich solle noch in die Apotheke auf der anderen Strassenseite gehen, bevor sie zu machen. In der Apotheke bekomme ich dann Antibiotika, Desinfektionsmittel und die Information, wo ich am nächsten Tag die Tollwutimpfung machen kann. Da an diesem Abend sowas wie ein Feiertag ist in Abancay, werde ich gegen 23:00 Uhr gerade noch als letzter Gast in ein fancy Restaurant eingelassen. Nach diesen Strapazen kann ich wenigstens noch ein gediegenes Menü zu mir nehmen. Es ist schon nach Mitternacht, als ich endlich halb tot ins Bett steige.

Strecke: 190 Km, Übernachtungshöhe: 2440 M.ü.M.,

Tag 27 (7.2.2024)

Gegen 9:00 Uhr sitze ich im Taxi in Richtung Gesundheitszentrum, um die Tollwutauffrischungsimpfung zu machen. In der Einrichtung angekommen, zähle ich nicht allzu viele Leute. Trotzdem geht es sehr chaotisch und ineffizient zu und her. Zuerst werde ich an einen Ort geschickt. Dort heisst es, ich müsse auf die andere Seite des Gebäudes, um irgendwelche Papiere auszufüllen. Auf der anderen Gebäudeseite finde ich dann etwas, das wie einen Empfang aussieht. Eine ältere Frau schreibt allgemeine Informationen zu meiner Person auf einen Umschlag, den ich zuvor im kleinen Laden auf der anderen Strassenseite hatte kaufen müssen. Wenig später gibts dann auch einen allgemeinen Check. Blutdruck und Puls werden gemessen, ja ich werde sogar gewogen! Das ist komplett unnötig, ich brauche doch eigentlich nur eine Impfung! Das hätte vielleicht 1 Minute gedauert, doch nun bin ich schon fast eine Stunde hier. Nach diesem überflüssigen Check gehts wieder zurück an den Ort, an dem ich zuerst war. Dort warte ich und versuche irgendwie die Zeit totzuschlagen.

Nachdem eine weitere Stunde vergangen ist, kommt dann endlich Bewegung ins Spiel. Ich werde aufgerufen und kann in den Behandlungsraum.

Dort entschuldigt sich der Arzt für die lange Wartezeit und meint, dass das peruanische Gesundheitssystem halt nicht das Beste sei. Zudem erkundigt er sich kurz nach dem Gesundheitssystem in der Schweiz. Ich dagegen staune, dass sich doch ein richtiger Arzt Zeit nimmt für mein Anliegen. Wie bei einem Arztbesuch in der Schweiz hört er meine Lunge ab, befragt mich über allgemeine Leiden und informiert sich genau über die Umstände des Bisses. Während ich mein bestmögliches Spanisch auspacke, hält der Arzt meine Schilderungen feinsäuberlich auf einem Papier fest. Kurz darauf bekomme ich dann den Impfstoff von einer anderen Ärztin gespritzt. Dann ist’s geschafft. Dieser Zirkus hat mich fast einen halben Tag gekostet. Etwas Gutes hat es jedoch. Die Kosten für diesen Spass werden komplett vom peruanischen Steuerzahler übernommen. Optimum.

Der Nachmittag ist eine absolute Genugtuung für die mühsamen Wartestunden am Morgen. Bei Sonnenschein und leichtem Rückenwind folge ich der verkehrsarmen Hauptstrasse.  Also wettertechnisch habe und hatte ich bisher riesiges Glück. Eigentlich würde im Gebiet der Anden momentan nämlich Regenzeit herrschen, aber bis auf paar vereinzelte Schauer wurde ich bisher noch nie wirklich verregnet.

Die Fahrbahn schlängelt sich parallel zu einem reissenden, grossen Bach langsam talaufwärts. Zu beiden Seiten ragen mächtige rote Felswände empor. Freude herrscht!

Gegen Abend entpuppt sich die zuvor auf Google Maps herausgesuchte Unterkunft als verlassen. Da ich keine Lust auf Zelten habe und es dazu in dem schmalen Tal sowieso fast keine Möglichkeiten gibt, kämpfe ich gegen meine Müdigkeit und Erschöpfung an. Das lohnt sich, denn gegen 22:00 Uhr erreiche ich ein Gasthaus. Sogar der Fastfoodladen im Erdgeschoss hat noch geöffnet, und ich kann mir trotz der späten Stunde noch den Bauch vollschlagen. Perfekt.

Strecke: 119km, Übernachtungshöhe: 2890 M.ü.M.

Tag 28 (8.2.2024)

Erst um 9:15 sitze ich wieder im Sattel. Es ist grau und das Terrain steigt heute stärker an als am Vortag. So macht es deutlich weniger Spass. Gegen 15:00 Uhr peitscht mir zudem noch ein Unwetter entgegen. Da ich nun schon wieder auf fast 4000 Meter aufgestiegen bin, ist es bitterkalt und ich friere an meine Hände. Auch macht sich wieder der negative Aspekt der Höhe bemerkbar und ich fahre langsam wie eine Schnecke. Der einzige Trost ist das Hörbuch, welches mich ein wenig von den zähen Umständen ablenkt.

Als sich der Tag dem Ende zuneigt, muss ich mir eingestehen, dass ich unter diesen kaltnassen Bedingungen unmöglich bis zur 36 Kilometer entfernten Ortschaft fahren kann, wo sich eine Unterkunft befinden könnte, was aber keineswegs sicher ist. So entscheide ich mich die Zeltausrüstung, welche nun zweieinhalb Wochen geruht hat, mal wieder einzusetzen. So verlasse ich kurz darauf die Strasse und suche einen geeigneten flachen Spot. Zum Znacht esse ich ein paar Nutellabrote. Ich geniesse die Ruhe und den Frieden, der hier oben herrscht. Danach muss ich mich aber sputen. In Windeseile baue ich das Nachtlager auf, denn es wird schnell dunkel und ein weiterer Regenschauer kündigt sich schon mit den ersten Tropfen an. Ich weiss, dass die Nächte hier oben bitterkalt sind und die Temperatur nur knapp über dem Nullpunkt liegt. So ziehe ich alles an, was ich habe, bevor ich mich in meinen teuren Schlafsack verkrieche. Während der Regenschauer über mich hinweg rauscht, arbeite ich im Zelt weiter an den Skills meines Zwei-Daumen-Systems.

Strecke: 68 km, Übernachtungshöhe, 4330 M.ü.M.

Tag 29 (9.2.2024)

Kurz vor 5:00 Uhr wache ich auf. Ich habe relativ gut geschlafen, doch langsam wird es kühl und zudem dämmert es auch schon. So schäle ich mich wenig später aus meinem 500 Gramm leichten Schlafsack. Als ich den Reissverschluss des Überzeltes öffnen will, habe ich Schwierigkeiten, denn er ist eingefroren. Ich kann es nicht glauben. Die Temperaturen in dieser Nacht waren tatsächlich unter Null gesunken. Auf meinem Überzelt hat sich aufgrund des Regens am Abend sogar eine dünne Eisschicht gebildet.

Beim Frühstück müssen Blöcke aus dem gefrorenen Nutella geschnitten und aufs Brot gelegt werden. Danach folgen mühsame Packarbeiten bei eisigen Temperaturen. Aber zum Glück ist das Wetter heute besser und es sieht nicht nach baldigem Niederschlag aus.

Bald rolle ich wieder und bin froh, denn ich habe meine persönlich kälteste Wildcampnacht gut überstanden. Bei Sonnenschein und arktischen Temperaturen steige ich bis auf 4560 Meter auf, dem nun definitiv höchsten Punkt der Tour. Ausser ein paar Alpakaherden gibts nicht viel hier oben.

Den ganzen Morgen geht die Fahrt auf einer Höhe um die 4500 Meter weiter. Die flachen Hügel verlangen mir trotz geringer Steigung alles ab. Da kommt mir der Schwatz mit einem Tourenfahrer aus England, welcher ganz Südamerika durchqueren will, gerade recht.

Erst am späten Nachmittag verlasse ich diese Hochebene und lasse mich von meinem Velo in tiefere und wärmere Lagen transportieren. Zum Tagesabschluss gibts dann noch ein 300-Höhenmeter-Pässchen, welches aber dank des wieder höheren Sauerstoffgehaltes der Luft kein Problem mehr ist.

Strecke: 143 Km, Übernachtungshöhe: 3‘350 M.ü.M

Tag 30 (10.2.2024)

Gegen 10:30 überkommt mich ein Glücksgefühl, als würde ich schon in die Zielstadt einfahren. Diese ist aber noch 550km entfernt. Jedoch ist ein anderer Meilenstein erreicht. Ich bin an diesem sonnigen Morgen bereits 1000 Höhenmeter aufgestiegen und erreiche nun ein letztes Mal die 4000 Meter. Es ist der letzte Pass der Tour. Es ist geschafft! - Die Anden sind überquert, nach 3 Wochen.

Vor mir liegt nun eine Abfahrt, die es in sich hat. Auf einer, spektakulär in den Fels gebauten, Strasse gehts fast 100 Kilometer abwärts durch wüstenähnliche Landschaften. Ein absoluter Genuss für meine Beine.

Gegen 15:00 Uhr erreiche ich die Stadt Nazca, welche am Fuss der Berge liegt. Hier unten ist es wieder ganz schön heiss.

Nachdem ich meine Sachen im Hotelzimmer deponiert habe, bin ich schon auf dem Weg zum Hospital. Es hatte geheissen, dass ich nach 3 Tagen noch eine zweite Tollwutimpfung bräuchte. Dieses Mal läufts deutlich schneller. Da ich schon von einem Arzt angehört wurde und schon eine Impfung habe, gehts keine Halbestunde, bis ich die Nadel im Arm habe. So habe ich noch genügend Zeit, um mich ein wenig zu erholen und den Tag entspannt ausklingen zu lassen.

Strecke: 131km, Übernachtungshöhe: 590 M.ü.M.

Total Strecke Asuncion - Nazca: 3‘340km

Tag 31 (11.2.2024)

Das idyllische einsame Fahren auf den schönen Passstrassen der Anden ist vorbei. Tausende Autos, Busse und Lastwagen bewegen sich auf der einspurigen Bundesstrasse in Richtung Lima. Nun wird nicht mehr aus Freude gehupt. Es wird nun gehupt, um mir verstehen zu geben, dass ich mich von der Fahrbahn verziehen soll. Da ich nicht überfahren werden will, weiche ich oft auf den sehr holprigen Pannenstreifen aus, welcher in noch schlechterem Zustand ist als die Hauptstrasse selbst.

Die Strasse führt durch die Atacama Wüste. Als ich in der Ferne erste Sanddünen erblicke, erfreue ich mich an dem neuen Landschaftsbild. Doch die Freude währt nicht lange. Am Nachmittag kommt ein mörderischer Seitenwind auf. Das Pedalen wir zunehmend mühsamer und langsamer. Was aber noch viel schlimmer ist, ist der aufgewirbelte Sand, der zwischen meinen Zähnen knirscht und in meinen Augen brennt. Wenigstens hat das Höhentraining der letzten Tage gewirkt und meine Beine können sich den Naturgewalten einigermassen entgegensetzen. Nachdem ich ein paar Stunden auf die Zähne gebissen habe, ändere ich langsam meine Fahrtrichtung und der starke Seitenwind wird zunehmend zu Rückenwind. Ich kann damit meine Geschwindigkeit verdreifachen und meine Motivation steigt auf das Zehnfache! So erreiche ich das gebuchte Hostel in der Stadt Ica noch vor Nachteinbruch.

Strecke: 140km

Tag 32 (12.2.2024)

Die Beine brennen, aber nicht vom Velofahren. Ich bin daran eine hohe Sanddüne hinaufzuklettern. Oben angekommen, kommt es mir so vor, als wäre ich mitten in der Sahara-Wüste gelandet.

 

Am Vorabend habe ich herausgefunden, dass nicht unweit von mir die grössten Sanddünen Südamerikas liegen und so habe ich die 7 Kilometer Umweg ins berühmte Oasendörfchen Huacachina gerne auf mich genommen. Dort bediene ich mich dann später an einem ausgiebigen Frühstücksbuffet in einem Hostel. Ich habe in den letzten Tagen einen derart grossen Appetit, dass ich aufpassen muss, mich nicht zu überessen.

Um 10:00 Uhr bin ich zurück auf der Bundesstrasse. Diese ist zum Glück ab sofort doppelspurig mit gut ausgebautem Pannenstreifen. Die 80 Kilometer bis Pisco überstehe ich demnach ohne lebensgefährliche Überholmanöver. Heute nehme ich es ruhig. Um 16:00 Uhr liege ich schon am Strand der Kleinstadt und entspanne mich dort bis zum Sonnenuntergang.

Strecke: 90km

Tag 33 (13.2.2024)

Auch an diesem Tag begebe ich mich wieder auf die doppelspurige „Carretera Panamericana Sur“.

Die heutigen 146 Kilometer führen mich auch an diesem Tag durch grösstenteils unwirtliche Wüstengebiete. Die vielen Lastwagen bringen neben dem Lärm auch gewisse Vorteile. Die Rückenwindböe, die beim Vorbeidonnern entsteht, wirkt sich positiv auf mein Vorankommen aus. Somit erreiche ich bereits bei Sonnenuntergang eine umgerechnet 10 Franken teure Unterkunft.

Strecke: 146km

Tag 34 (14.2.2024)

Nach einer zu warmen Nacht wache ich gegen 5:40 auf. Ein letztes Mal packe ich meine Ausrüstung zusammen, esse ein paar Snacks und mache mich abfahrbereit. In diesem Prozess habe ich im letzten Monat Übung bekommen. Vom Weckerklingeln bis zur Weiterfahrt vergehen nur noch knapp 50 Minuten. Ein letztes Mal begebe ich mich auf die mittlerweile 3-spurige Bundesstrasse und bewege mich mit den unzähligen weiteren Verkehrsteilnehmern in Richtung Nordwesten.

Nach 6 Stunden in der Hitze zwischen stinkenden und hupenden Blechkisten rücke ich langsam ins Zentrum der 11-Millionen-Metropole vor. Endlich. Die Hauptstadt Lima, das Ziel meiner Reise, ist erreicht!

Als Belohnung gibts gleich 2 Erdbeer-Nutellacrêpes und danach gehts ins noble und klimatisierte Hotelzimmer. Lange bleibe ich aber nicht dort, denn ich muss für den Rückflug noch Verpackungsmaterial für mein Velo auftreiben.

Am Abend gehts dann zur Feier des Tages in ein gehobenes Grillrestaurant. Eigentlich sind alle Tische reserviert, aber da ich alleine bin, kann ich an der Theke gegenüber dem grossen Holzkohlegrill Platz nehmen. Die nächste Stunde lasse ich mich von einem erstklassigen Service und einer äusserst schmackhaften Speise verwöhnen.

Was ein Abschluss! Noch vor ein paar Tagen sass ich in irgendeiner lausigen Kammer und habe ein paar Oreos gegessen und nun bin ich hier. Im vergangenen Monat habe ich 3800 Kilometer und rund 40’000 Höhenmeter geleistet. Ich quälte mich durch die paraguayische Hitzeebene, holperte durch wunderbare tropische Landschaften, hechelte durch die kühlen Anden und radelte am Schluss noch an Sanddünen vorbei durch die Atacama Wüste. Zweimal litt ich unter Krankheiten und einmal mussten aufgrund des blöden Hundes noch vorbeugende Impfmassnahmen ergriffen werden. Das Velo hat dabei einen ausgezeichneten Job gemacht und hat nicht geschwächelt. Es gab Höhen und Tiefen. Ich hatte Glück und Pech. Ich habe es genossen und ich habe es gehasst. Nun ist es vorbei und zurück bleiben die grösstenteils guten Erinnerungen an die Abenteuer, die vielseitigen Landschaften, das manchmal bessere und manchmal schlechtere Essen und die herzlichen Begegnungen.

Auch an diesem Abend kommt es noch zu einer netten Begegnung. Die beiden Grillmeister haben nämlich den Grund für meine Visite im Restaurant mitbekommen. So gibt es zwischen ihrer gekonnten Fleischzubereitung kurze Schwätzchen. Trotzdem alle Beteiligten mächtig im Stress sind, will man sich noch Zeit nehmen für ein gemeinsames Erinnerungsfoto. Ein schöner Abschluss!

Strecke: 85km

Total Strecke Asuncion - Lima: 3‘801 Km